Filmprojekt Barneo in der Presse
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Heiner Kubny aus Höngg durfte als erster Ausländer einen Dokufilm über den Aufbau der russischen Polarstation Barneo drehen. Dazu musste er mit dem Fallschirm abspringen.
Von seiner Terrasse aus in Höngg kann Heiner Kubny die schneebedeckten Glarner Alpen sehen. Doch ihm liegen Schnee und Eis in anderen Gegenden näher. Auch Wochen nach seiner Rückkehr vom nördlichen Eismeer ist er noch voller Begeisterung: «Man steht im Frachtraum des Transportflugzeugs, sieht, wie sich die Tore am Heck öffnen, und blickt ins Leere. 3000 Meter tiefer liegt das Eis. Auf ein Zeichen des Kommandanten hin rennen alle zum Tor und stürzen sich hinaus.»
Der Absprung mit dem Fallschirm im Niemandsland unweit des Nordpols war für Kubny eine Premiere. Er war vorher noch nie mit einem Fallschirm gelandet, und der Mann ist immerhin 60 Jahre alt und weit gereist. Aber aus einem Flugzeug auszusteigen, das mit mehr als 300 Kilometern pro Stunde durch die minus 54 Grad kalte Luft rast, das war schon etwas Besonderes.
Die Anfrage aus Moskau
Speziell war auch der Auftrag, für den Kubny, seine Frau Rosamaria und der Berner Kameramann Werner Breiter im April in der Polarregion weilten. Etwa 100 Kilometer vom Pol entfernt wird jeweils im Polarfrühling auf dem driftenden Eis ein provisorisches Lager aufgebaut, Camp Barneo, quasi eine SAC-Hütte für Nordpoleroberer. Das Camp dient für einige Wochen Abenteurern, Sportlern, Touristen und Wissenschaftlern als Basisstation für allerlei Aktivitäten, ehe das Eis zu dünn wird für Expeditionen.
Heiner Kubny, der als Fotograf, Herausgeber der Zeitschrift «Polar-News» und Reiseleiter auf Arktis und Antarktis spezialisiert ist, wurde von russischen Partnern angefragt, ob er nicht eine grosse Reportage über das Camp Barneo machen möchte. Kubny sagte zu, unter der Bedingung, dass er den Aufbau der Station von A bis Z verfolgen dürfe. Zu Kubnys Erstaunen kam aus Moskau der Bescheid, dass die vielen nötigen Bewilligungen vorlägen, er werde freie Hand haben.
Noch mehr überrascht als der Filmer waren die Leute an der Front: Die Piloten, Fallschirmpioniere und Spezialhandwerker staunten, dass sie bei ihrer Arbeit gefilmt werden sollten und erst noch von Ausländern. Die Drifteisstation Barneo liegt in einem Gebiet, das von den Russen als strategisch betrachtet wird. Wie weit das Projekt privat, staatlich oder gar militärisch ist, lässt sich nicht beurteilen. «Solche Fragen stellt man in Russland nicht, sonst ist man nach zwei Minuten wieder draussen», sagt Kubny, der viel Reiseerfahrung im Land hat. Fest steht, dass die Flugzeuge und Helikopter samt den Besatzungen eine militärische Vorgeschichte haben. Militärisch im positiven Sinn erlebten Kubny und seine Filmcrew auch die kameradschaftliche Atmosphäre bei der Arbeit. Obwohl die Schweizer kein Russisch sprechen, wurden sie schnell akzeptiert, Englisch ist auch am Nordrand der Welt zur allgemeinen Hilfssprache geworden.
Audienz beim Nordpolpapst
Noch ehe die Kubnys zu den geheimnisumwitterten Flugplätzen reisen durften, von denen aus die Arktisunternehmungen versorgt werden, wurden sie im Moskau vom prominentesten und populärsten russischen Arktisexperten empfangen. Artur Chilingarow ist mit seinem Vollbart nicht nur die Personifizierung des Polarforschers, er weiss sich als Parlamentsabgeordneter auch politisch für die Arktis einzusetzen. Als Kubny im Büro von Chilingarow ein Eisbärenfoto sah, das er selber aufgenommen hatte, war ihm die Sympathie des Polarpolitikers sicher und damit wohl auch die eine oder andere Sondergenehmigung für seine Filmarbeiten. Chilingarow hatte weltweit Aufsehen erregt, als er 2007 von einem U-Boot aus eine russische Flagge am Meeresgrund des Nordpols pflanzte. Für ihn ist klar, dass der Pol zu Russland gehört, geologisch und politisch. Russen waren es wohl auch, die als Erste am Nordpol waren, ist Heiner Kubny heute überzeugt, denn er erhielt Zugang zu Dokumenten der geheimen sowjetischen Fliegerexpedition von 1936, die er auch in seinem Film zeigen kann.
Die Installation des Lagers Barneo ist eine komplizierte Logistikaufgabe, wegen der schnellen Wetterumschläge ist die Planung extrem unsicher, es muss viel improvisiert werden. Das Transportflugzeug, das die Fallschirmspringer absetzt, bringt auch das Material für den Aufbau der Zeltstadt, Lebensmittel, Maschinen und Treibstoff. Alles wird auf Paletten an Fallschirmen abgeworfen. Kubny montierte Kameras an einigen Paletten, sie machten aus verschiedenen Perspektiven Aufnahmen des spektakulären Manövers und überstanden den Abwurf ganz gut. Kubny und Breiter waren bei den Ersten, die vor Ort eintrafen, und konnten den Aufbau der Station aus dem eisigen Nichts heraus von Anfang an begleiten. Rosamaria Kubny und der Kameramann Simon Usteri verfolgten gleichzeitig in der Schweiz und auf Spitzbergen die Vorbereitungen des Schweizer Abenteurers Thomas Ulrich für eine Ski-Expedition zum Nordpol. Ulrichs Reise wird in den Film eingebaut werden, der britische Prinz Harry, der ebenfalls im Camp Barneo vorbeikam, soll dagegen nur eine Nebenrolle spielen.
Kubny ist weniger an Prominenten interessiert als an den Spezialisten, die auf dem Eis einen nicht leichten Job ausüben und natürlich an der Umgebung, der kargen, aber äusserst eindrücklichen Natur.
Gehören Touristen an den Pol?
Dass Camp Barneo auch Touristen anzieht, die sich dank Spezialflugzeug und Helikopter ein bequemes und prestigeträchtiges Abenteuer wünschen, weiss Kubny. Dass der Nordpol zu einem exklusiven, kostspieligen Reiseziel geworden sei, habe jedoch auch seine guten Seiten, falls sich so eine Lobby für das Eismeer bilde und dessen Probleme im Gespräch bleiben.
Auch wenn er nicht Wissenschaftler ist, sieht Kubny die bedenkliche Entwicklung des Klimas in der Polarzone. Die amerikanischen Forscher, die er besuchte, haben ihm berichtet, dass das Oberflächenwasser unter dem Eis jedes Jahr salzärmer werde, weil das Eis abschmilzt. Und aufgefallen ist ihm auch, dass die eisfreien Flächen immer grösser werden. Eine der abgeworfenen Paletten wäre um ein Haar im Wasser gelandet, samt Kubnys teurer Ausrüstung. Am Ende verliefen die Dreharbeiten zwar ganz gut, nicht nach den ursprünglichen Plänen, aber das ist im Polareis normal. Nun stellt Werner Breiter aus den 40 Stunden High-Definition-Video einen Dokumentarfilm von 45 Minuten Länge zusammen. Kubny will ihn wie bisher seine Multivisionsschauen in einigen Kinos zeigen und ihn zudem den Fernsehstationen anbieten.
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