Wie man Robben ohne Waage wiegt
Weddellrobben sind ikonische und faszinierende Bewohner der Antarktis. Sie sind die grössten Robben Antarktikas und entsprechend schwierig zu studieren. Nun haben US-Forscher eine neue Technik namens Fotogrammmetrie entwickelt, um das Gewicht von säugenden Muttertieren bestimmen zu können, ohne die Tiere betäuben oder berühren zu müssen. Diese Forschung ist Teil eines aktuellen Projekts zur Populationsgrösse von Weddellrobben in McMurdo-Sound.
Wissenschaftler, die am längsten laufenden Robbenuntersuchungsprojekt in der Antarktis teilnehmen, nutzen eine neu-entwickelte Technik, die nichts anderes als handelsübliche Digitalkameras benötigt, um Bilder von Robben in wichtige Daten zu verwandeln. Die laufende Erebus Bay Populationsstudie von Weddellrobben hat seit beinahe 50 Jahren die Robbenpopulationen markiert und verfolgt. „Wir versuchen zu verstehen, wie viele Tiere in dieser Population zusammengefasst sind und wie sich dies im Laufe der Zeit verändert hat“, erklärt Jay Rotella von der Montana State Universität, einer der Hauptautoren des Forschungsprojektes. „Und innerhalb dieser Population versuchen wir das Leben einzelner Individuen zu verstehen und warum einige länger leben und mehr Nachwuchs haben als andere.“
In diesem Jahr haben die Forscher nun damit begonnen, eine neue Technik namens Stereofotogrammmetrie, um das Gewicht der Robben zu bestimmen ohne sie aber zu berühren. „Die Idee ist, dass man die Tiere mit den Bildern misst“, erklärt Rotella. Kaitlin Macdonald, eine Masterstudentin an der Montana State hatte die Idee entwickelt, das Gewicht einer Robbenmutter via Kamera herauszubekommen. „Wir können Bilder rund um die ganze Robbe herum aufnehmen“, sagt Macdonald. „Dann kreiert man ein 3D-Bild der Robbe aus allen Bildern, so dass man das Volumen aus dem 3D-Modell der Robbe errechnen kann.“ Nachdem man Bilder von der Robbe von allen Seiten aufgenommen hat, werden die Bilder in ein Computerprogramm eingegeben, welches die Kanten der Robbe in jedem Foto identifiziert. Danach werden die Umrisse zusammengesetzt und dadurch wird ein virtuelles Abbild des marinen Säugetiers erstellt. „Es wird quasi ein 3D-Drahtgittermodell der Robbe erstellt“, meint Rotella. Es ist eine Technik, die bereits in anderen Forschungszweigen genutzt wird, von Archäologie bis Topographie, um virtuelle Modelle von Artefakten oder Terrains zu erstellen. Kennt man das Gesamtvolumen der Robbe, ist es einfach, diese mit der durchschnittlichen Dichte einer Robbe zu multiplizieren und so die Gesamtmasse abzuleiten.
Das Forschungsteam hatte die Technik zwar in den letzten Jahren mehrfach im Feld ausprobiert, aber in diesem Jahr ist sie zum ersten Mal direkt für die Forschung verwendet worden. „Das Tolle an dieser Fotografie Arbeit ist, dass wir jetzt den Gewichtsverlust einer Robbenmutter bestimmen können“, sagt Rotella. „Wieviel Gewicht hat das Junge zugelegt und wie hoch ist der Gewichtsverlust der Mutter dabei?“. Diese Frage zielt mitten in das Verständnis, wie der Gesundheitszustand einer Robbe sich auf das Junge auswirkt. Weddellrobben tun alles, um ein gesundes Junges grosszuziehen, aber um grosse Mengen an Milch zu produzieren, bezahlt man einen hohen Preis. „Weibchen verlieren rund 50 Prozent ihres Gewichts während der Säugephase“, erklärt Macdonald. „Typischerweise wiegen sie zu Beginn um die 450 – 500 kg und wir nehmen an, dass sie mit etwa 200 – 250 kg wieder herauskommen. Aber wir konnten bisher niemals die Tiere wiegen.“
Es ist anzunehmen, dass die älteren Weibchen mehr Gewicht verlieren und kleinere Jungen gebären. Aber es ist schwierig, dies zu quantifizieren. Ein 20 Kilo schweres Jungtier auf die Waage zu legen, ist noch verhältnismässig einfach; dasselbe mit seiner fast eine halbe Tonnen wiegenden Mutter zu tun, ist was ganz anderes. Die neue Technik fügt eine neue Dimension an den bereits ausserordentlich reichhaltigen Datensatz über die Weddellrobbenpopulation hinzu.
Quelle: Michael Lucibella, Antarctic Sun (Die Webseite von Antarctic Sun http://antarcticsun.usap.gov ist die offizielle Online News Seite des US-Amerikanischen Antarktisprogrammes)