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Müllhalde Meer

Geschrieben am . Veröffentlicht in Forschung & Umwelt.

Grosse Mengen der weltweit produzierten Kunststoffe enden in den Ozeanen. Dort stellen sie eine zunehmende Bedrohung dar. Vor allem sehr kleine Objekte, sogenannte Mikroplastikpartikel, gefährden das Leben vieler Meeresbewohner.

Rot, grün, weiss - woher die Mikroplastikpartikel stammen, lässt sich nur schwer ermitteln. Die meisten gelangen als sogenannte Plastikpellets ins Meer. Andere, meist noch viel kleinere Objekte werden in Peelings oder Autopolituren als Scheuermittel verwendet und am Ende über das Abwassersystem und die Flüsse in das Meer getragen.
Rot, grün, weiss - woher die Mikroplastikpartikel stammen, lässt sich nur schwer ermitteln. Die meisten gelangen als sogenannte Plastikpellets ins Meer. Andere, meist noch viel kleinere Objekte werden in Peelings oder Autopolituren als Scheuermittel verwendet und am Ende über das Abwassersystem und die Flüsse in das Meer getragen.

Eine Einschätzung, wie stark die Ozeane mit Mikroplastikpartikeln belastet sind, scheiterte bisher, weil weltweit vergleichbare Untersuchungsmethoden und Daten fehlten. Gemeinsam mit britischen und chilenischen Kollegen haben Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Institutes nun alle veröffentlichten Studien zu diesem Thema ausgewertet und standardisierte Richtlinien für die Erfassung und Charakterisierung der Mikroplastik-Partikel im Meer vorgeschlagen.

Angespülte Plastikflaschen gehören heutzutage ebenso zu einem Strandspaziergang wie das Kreischen der Möwen. Was dem menschlichen Auge jedoch verborgen bleibt, sind die unzähligen Kleinstobjekte aus Kunststoff, die im Wasser schwimmen, an den Strand gespült werden oder den Meeresboden bedecken. Wissenschaftler bezeichnen diese Plastikteilchen als «Mikroplastikpartikel» und verstehen darunter Kunststoffobjekte, deren Durchmesser weniger als fünf Millimeter betragen – wobei die meisten Mikroplastikpartikel kleiner als ein Sandkorn oder eine Nadelspitze sind. Diese Eigenschaft macht sie auch so gefährlich für Meeresbewohner. «Mikroplastikpartikel werden von Organismen verschluckt und über den Verdauungstrakt aufgenommen. So konnten sie zum Beispiel bereits im Gewebe von Miesmuscheln oder anderen Tieren nachgewiesen werden», sagt Dr. Lars Gutow, Biologe am Alfred-Wegener-Institut. Im Meer lagern sich an den kleinen Partikeln zudem toxische Stoffe an, die auf diese Weise in die Nahrungskette gelangen und so schliesslich auch dem Menschen gefährlich werden können.

Vermüllter Badestrand – nicht gerade die beste Adresse um Urlaub zu machen.
Vermüllter Badestrand – nicht gerade die beste Adresse um Urlaub zu machen.

Lars Gutow und Kollegen von der «Universidad Católica del Norte» in Chile und der «School of Marine Science and Engineering» in Plymouth sind nun gemeinsam der Frage nachgegangen, wie stark die Weltmeere mit Mikroplastikpartikeln belastet sind. Dazu haben die Biologen 68 wissenschaftliche Veröffentlichungen zu diesem Thema analysiert und festgestellt, dass sich deren Ergebnisse nur schwer miteinander vergleichen lassen. «In diesen Studien wurde mit ganz unterschiedlichen Methoden gearbeitet, weshalb nicht nachvollziehbar war, ob die beobachteten regionalen Verteilungsunterschiede der Plastikpartikel real sind oder ob sie auf die Erfassungsmethoden zurückzuführen sind», sagt Prof. Martin Thiel, Initiator der nun veröffentlichten Vergleichsuntersuchung und Wissenschaftler an der «Universidad Católica del Norte». So habe sich unter anderem gezeigt, dass 100.000-mal mehr Mikroplastikpartikel aus der Wassersäule gefischt werden konnten, wenn anstelle eines Netzes mit Maschenweite 450 Mikrometer ein Modell mit 85 Mikrometern eingesetzt wurde.

Diese Sammlung kleiner Plastikreste gibt einen ersten Überblick über die Formenvielfalt des Mikromülls. Im Vergleich zu den allerkleinsten Partikeln sind die hier abgebildeten Beispiele jedoch noch wahre Riesen.
Diese Sammlung kleiner Plastikreste gibt einen ersten Überblick über die Formenvielfalt des Mikromülls. Im Vergleich zu den allerkleinsten Partikeln sind die hier abgebildeten Beispiele jedoch noch wahre Riesen.

Basierend auf diesen Erkenntnissen hat das internationale Forscherteam nun erstmals Richtlinien für die Erfassung und Charakterisierung der Mikroplastikpartikel erstellt und diese im Fachmagazin «Environmental Science & Technology» veröffentlicht. Darin erläutern die Wissenschaftler auch mögliche Herkunftsquellen des Plastikabfalls. «Mikroplastikpartikel gelangen auf unterschiedlichen Wegen in die Meere. Ein Grossteil sind sogenannte Plastikpellets, die als Rohstoff für die Herstellung von Kunststoffprodukten wie Computergehäusen oder andere Gebrauchsartikeln dienen. Geht man mit diesen Pellets, beispielsweise beim Verladen auf Schiffe, sorglos um, können viele davon durch den Wind verweht werden und ins Meer gelangen», erklärt Lars Gutow.

Mikroplastikpartikel stecken aber auch in Kosmetik- und Reinigungsmittel. «In so manchem Peeling-Produkt werden kleinste Plastikpartikel als „Scheuermittel" verwendet. Über das Abwasser und die Flüsse gelangen sie dann ins Meer», sagt der Biologe. Und schliesslich zerfalle jede Plastikflasche, jede Plastiktüte, die im Meer schwimme, eines Tages in zahllose Mikropartikel. «Der Abbau grösserer Plastikteile kann Jahrhunderte dauern und erfolgt vor allem durch physikalische Prozesse. Die UV-Strahlung der Sonne lässt den Kunststoff brüchig werden. Durch den Wellenschlag und Abriebprozesse werden sie dann in immer kleinere Teile zerbrochen», so Lars Gutow.

Tragisches Resultat: Verendeter Albatros – der Magen war voll, aber mit der falschen Nahrung.
Tragisches Resultat: Verendeter Albatros – der Magen war voll, aber mit der falschen Nahrung.

Die kleinsten bisher nachgewiesenen Partikel besassen einen Durchmesser von einem Mikrometer - das entspricht einem tausendstel Millimeter. Um solch winzige Kunststoffobjekte genau zu bestimmen und ihre Herkunft zu klären, sind aufwendige Untersuchungen nötig. «Wir empfehlen jedem Wissenschaftler, sehr kleine Mikroplastikpartikel mithilfe einer Infrarot-Spektroskopie zu analysieren. Dieses Verfahren entlarvt die Inhaltsstoffe und ermöglicht so eine genaue Identifizierung als Kunststoff», sagt Lars Gutow.

In ihrem Forschungsleitfaden weisen die Wissenschaftler zudem auf Wissenslücken hin. «Das Thema „Plastik im Meer" hat in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Es wird sehr viel geforscht. Trotzdem wissen wir zum Beispiel noch nicht, ob und wenn ja, in welcher Menge Mikroplastikpartikel an Felsküsten und in Salzwiesen abgelagert werden. Vor allem letztere sind bekannt dafür, dass sie ein hohes Rückhaltepotenzial für Partikel ausweisen. Ob dies auch für Mikroplastikpartikel gilt, ist bisher nicht bekannt», sagt Martin Thiel, der die Belastung der chilenischen Küste durch Mikroplastikpartikel untersucht.

Wenn zukünftig, basierend auf den Empfehlungen dieser Vergleichsstudie, alle Meeresforscher standardisierte Methoden zur Erfassung der Mikroplastikpartikel anwenden, dürfte nicht nur die Aussagekraft ihrer Ergebnisse deutlich steigen. Es bestünde zudem die Chance, realistische Aussagen darüber zu machen, wie stark die Weltmeere wirklich mit Mikroplastikpartikeln belastet sind und welche Konsequenzen diese Verschmutzung für die Ökosysteme und somit auch für den Menschen hat.

Quelle: AWI Bremerhaven