Riesiger Eisberg in der Antarktis
Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Institutes, haben dieses Naturschauspiel über den Erdbeobachtungssatelliten TerraSAR-X vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) verfolgt und in vielen Einzelaufnahmen dokumentiert. Die Daten sollen helfen, die physikalischen Rätsel eines solchen «Kalbens» zu lösen. Den ersten Riss in der Gletscherzunge hatten Wissenschaftler der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA am 14. Oktober 2011 bei einem Überflug entdeckt. Er war damals rund 24 Kilometer lang und 50 Meter breit.
Gletscher legt zwölf Metern pro Tag zurück
Die Glaziologin Prof. Angelika Humbert und ihr Team haben die hoch auflösenden Radaraufnahmen des DLR-Erdbeobachtungssatelliten TerraSAR-X genutzt, um das Fortschreiten der beiden Risse zu beobachten und die physikalischen Prozesse hinter den Gletscherbewegungen besser zu verstehen. So vermassen die Forscher unter anderem die Spaltbreiten und berechneten die Fliessgeschwindigkeit des Eises. «Oberhalb des grossen Risses ist der Gletscher zuletzt mit einem Tempo von zwölf Metern pro Tag geflossen», berichtet Humberts Kollegin Dr. Dana Floricioiu vom DLR. Und Nina Wilkens, Doktorandin im Team von Humbert ergänzt: «Anhand der Aufnahmen konnten wir verfolgen, wie sich der grössere Riss am Pine-Island-Gletscher zunächst auf eine Strecke von 28 Kilometern verlängerte. Kurz vor der „«Geburt» des Eisberges öffnete sich der Spalt dann Stück für Stück, sodass er an seiner breitesten Stelle etwa 540 Meter mass.»
Diese und andere TerraSAR-X-Satellitendaten lassen die Wissenschaftler in Computersimulationen einfliessen, mit denen sie die Bruch- und Fliessmechanik der Eismassen modellieren. «Gletscher sind ständig in Bewegung. Sie haben ihre ganz eigene Fliessdynamik. Ihr Eis ist permanenten Spannungen ausgesetzt und das Kalben von Eisbergen ist noch weitestgehend unerforscht», sagt Eismodelliererin Angelika Humbert. Ihre Simulationsergebnisse vergleichen die Wissenschaftlerin und ihr Team im Anschluss mit aktuellen Satellitendaten wie jenen von TerraSAR-X. Stimmen Modellrechnung und Realität überein, können die Wissenschaftler daraus zum Beispiel schlussfolgern, welche Gleiteigenschaft der Boden unter dem Gletschereis besitzt oder wie sich der Eisstrom im Fall einer weiteren Erderwärmung verhalten könnte.
Kein Zusammenhang mit dem Klimawandel
Werden Eisabbrüche wie dieser vom Klimawandel hervorgerufen? Angelika Humbert sieht bisher keinen direkten Zusammenhang: «Die Bildung von Rissen im Schelfeis und damit auch die Entstehung neuer Eisberge sind natürliche Vorgänge», sagt die Glaziologin. Allerdings sei der Pine-Island-Gletscher, der vom Hudson-Gebirge in die Amundsen-See fliesst, mit einem Fliesstempo von etwa vier Kilometern pro Jahr der am schnellsten fliessende Gletscher der westlichen Antarktis. Diese Geschwindigkeit wird jedoch weniger von den steigenden Lufttemperaturen hervorgerufen. Sie gründet vielmehr darauf, dass sich die Windrichtungen in der Amundsen-See geändert haben. «Der Wind bringt nun warmes Meerwasser unter das Schelfeis. Dieser Prozess führt mit der Zeit dazu, dass das Schelfeis von unten schmilzt, vor allem an der sogenannten Aufsetzlinie, dem kritischen Übergang zum Inlandeis», sagt die Wissenschaftlerin. Für den westantarktischen Eisschild hätte ein noch schnelleres Fliessen des Pine-Island-Gletschers vermutlich ernstzunehmende Folgen: «Das westantarktische Inlandeis liegt auf Land, das tiefer liegt als der Meeresspiegel. Sein ‚Bett' neigt sich zudem landeinwärts. Es besteht also durchaus die Gefahr, dass diese grossen Eismassen instabil werden und ins Rutschen kommen», sagt Humbert. Würde der gesamte westantarktische Eisschild in den Ozean fliessen, hätte dies einen weltweiten Meeresspiegelanstieg in Höhe von etwa 3,3 Metern zur Folge.
Quelle: AWI, Bremerhaven