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Letzte Runde zwischen Südgeorgien und den Ratten

Geschrieben von Dr. Michael Wenger am . Veröffentlicht in Menschen & Politik.

Seit 2011 läuft auf der subantarktischen Insel Südgeorgien das grösste Exterminierungsprogramm gegen eingeschleppte Arten. Tausende von Quadratkilometern wurden mit Ködern versehen, um Ratten und Mäuse auszurotten, die unter der Vogelpopulation massive Schäden verursacht hatten, seit sie von Menschen eingeschleppt worden waren. Jetzt tritt das Programm in seine letzte Phase, die Kontrolle über der gesamten Insel, ob irgendwelche Nagetiere überlebt haben. Mit etwas Glück wird in die Insel bald wieder den Vögeln gehören.

Die Insel, die rund 164 km lang und 33 km breit ist, bietet Nistmöglichkeiten für Millionen von Vögel, Robben und Walen. Sie ist ein britisches Überseegebiet und wird von einem ernannten Regierungsbeamten verwaltet. Bild: Michael Wenger
Die Insel, die rund 164 km lang und 33 km breit ist, bietet Nistmöglichkeiten für Millionen von Vögel, Robben und Walen. Sie ist ein britisches Überseegebiet und wird von einem ernannten Regierungsbeamten verwaltet. Bild: Michael Wenger

In diesem antarktischen Sommer werden 3 Hunde, 15 Leute und drei Schiffe an der vierten und letzten Phase des Programms zur Wiederherstellung des Lebensraumes auf Südgeorgien teilnehmen, dem grössten und ambitioniertesten Projekt zur Exterminierung eingeschleppter Arten der Welt. Das Team wird hinausgehen, um den Erfolg des Rattenvernichtungsprojektes zu bestimmen, welches zum Ziel hatte, mithilfe von aus der Luft abgeworfenen Ködern die Ratten auszulöschen und die Insel wieder zu einem global wichtigen Meeresvogelschutzgebiet machen. Es besteht die Hoffnung, dass die Insel seit 2015 wieder Nagetierfrei ist, als das Köderauslegen beendet worden war. Vor dem Start des Projektes 2011 waren die Vogelarten massiv durch eingeschleppte Ratten und Mäuse bedroht gewesen. Diese kamen einst als blinde Passagiere an Bord von Robben- und Walfangschiffen auf die Insel und hatten  katastrophale Auswirkungen auf die Vogelpopulationen. Vor allem endemische Arten wie der Südgeorgien-Riesenpieper oder die Südgeorgien-Spitzschwanzenten waren enorm stark bedroht auf dem britischen Überseegebiet.

Die Ratten waren ein Überbleibsel der Wal- und Robbenfängerzeit, die einst für ihr blutiges Handwerk auf die Insel gekommen waren. Die Fänger gingen, die Ratten blieben und dezimierten auf dramatische Weise die einheimische Vogelwelt. Bild: Paula O’Sullivan
Die Ratten waren ein Überbleibsel der Wal- und Robbenfängerzeit, die einst für ihr blutiges Handwerk auf die Insel gekommen waren. Die Fänger gingen, die Ratten blieben und dezimierten auf dramatische Weise die einheimische Vogelwelt. Bild: Paula O’Sullivan

Diese gigantische Projekt wurde von einer kleinen schottischen gemeinnützigen Gesellschaft geleitet, dem South Georgia Heritage Trust. Zusammen mit einer US-amerikanischen Schwestergesellschaft «Friends of South Georgia» sammelte die Gesellschaft über € 8.5 Millionen (rund CHF 10 Millionen), um das Projekt zu finanzieren. Das Geld wurde vor allem von Geschäften, individuellen Personen, Gesellschaften und Regierungen zur Verfügung gestellt. Die Planung und die Mittelbeschaffung starteten bereits 2007, damit die drei Phasen 2011, 2013 und 2015 eingehalten werden konnten. Die Feldarbeit  wurde dann von einem internationalen Team von Experten durchgeführt, die unter den harschen und sehr schwierigen Wetterbedingungen Südgeorgiens arbeiten mussten. Seit der letzten Phase der Köderauslegung 2015 wurden keine Anzeichen für Nagetiere mehr entdeckt. Doch eine umfassende Untersuchung ist notwendig bevor die Insel tatsächlich nagetierfrei bezeichnet werden kann. Also muss nun Team „Ratte“, wie sie sich selbst nennen,  zurückkehren, um die letzte und endgültige Phase dieses wegweisenden Projektes zu starten: eine umfassende Durchsuchung Südgeorgiens, um zu kontrollieren, dass die Nagetiere tatsächlich besiegt worden sind. Dabei werden internationale Richtlinien eingehalten, die vorgeben, dass mindestens zwei Jahre nach Köderauslegung gewartet werden muss, bevor ein Gebiet tatsächlich als frei von Nagetieren erklärt werden kann.

Gletscher unterteilen die Insel und trennten die Rattenpopulationen. Aufgrund der geografischen Umstände und aus finanziellen Gründen wurde das Projekt in insgesamt drei Köderphasen eingeteilt. Bild: South Georgia Heritage Trust
Gletscher unterteilen die Insel und trennten die Rattenpopulationen. Aufgrund der geografischen Umstände und aus finanziellen Gründen wurde das Projekt in insgesamt drei Köderphasen eingeteilt. Bild: South Georgia Heritage Trust

Die Untersuchung hat bereits mit der Unterstützung der Verwaltung von Südgeorgien und den Südsandwich-Inseln durch ihr Logistik- und Patroullienschiff Pharos und zusätzlichen Leuten begonnen. Gemäss den internationalen Richtlinien werden eine Reihe von Aufspürmassnahmen ergriffen, darunter standortgebundene Geräte (Kaustäbe, Kaubretter, Erdnussbutterbestrichene Wachsköder, Tunnel- und Kamerafallen) und speziell trainierte Hunde, die diesen Monat nach Südgeorgien reisen werden. Die Untersuchung soll bis in den April 2018 dauern. Der Projektleiter Richard Hall erklärt: „Die Grösse der Aufgabe ist beeindruckend, da sie um einiges grösser ist, als jedes bisher durchgeführte Projekt weltweit. Wir werden eine Küstenlinie von beinahe 1‘000 Kilometer Länge und ein Gebiet von rund 895 Quadratkilometer durchsuchen müssen. Natürlich ist es absolut unmöglich jeden Quadratmeter Land tatsächlich zu untersuchen. Unsere Strategie ist es, das Gebiet punktuell auf eine Weise zu beproben, die unsere Chance, die Nagetiere aufzuspüren, maximiert. Wir haben ein Team von Spezialisten beieinander, von denen viele bereits während der Feldarbeit hier gewesen waren. Das Ziel ist es, die Insel im April 2018 zur nagetierfreien Zone zu erklären.“ Auch Professor Mike Richardson, ein Mitglied des South Georgia Heritage Trust und Leiter des Lenkungsausschusses des Projekts, meint: „Das ist ein unglaublich wichtiges Projekt die Wildtiere von Südgeorgien gewesen, durchgeführt von einem Team, das mit den herausfordernden und sehr ungastlichen Wetterbedingungen und der Abgeschiedenheit der Insel fertig werden musste. Sollten tatsächlich keine Nagetiere mehr gefunden werden (was wir alle sehr hoffen), können wir die Insel als befreit erklären. Und mit dieser Ankündigung, was in der langen Geschichte der Insel nur ein sehr kurzer Moment ist, würden wir zwei Jahrhunderte menschlich-verursachten Schaden an der Tierwelt wiedergutmachen. Millionen von Vögel können ihr angestammtes Heim wieder in Besitz nehmen und die Zukunft von endemischen Arten wie dem Südgeorgien-Riesenpieper wird wieder gesichert sein.“

Neben einer Vielzahl von Meeresvögeln, bietet Südgeorgien auch einige endemische Arten. Die Südgeorgien-Spitzschwanzente, ist beispielsweise die einzige rein fleischfressende Entenart der Welt. Bild: Michael Wenger
Neben einer Vielzahl von Meeresvögeln, bietet Südgeorgien auch einige endemische Arten. Die Südgeorgien-Spitzschwanzente, ist beispielsweise die einzige rein fleischfressende Entenart der Welt. Bild: Michael Wenger

Quelle: South Georgia Heritage Trust