Extremer Eis-Schwund in der Arktis
Auf der 16-wöchigen Forschungsfahrt wurden mehr als 11 800 Seemeilen zurückgelegt und auf drei Etappen rund 130 Wissenschaftler aus sechs Ländern beherbergt. Der letzte Fahrtabschnitt führte durch den zentralen Arktischen Ozean, wobei die «Polarstern» am 22. August 2011 auch den Nordpol erreichte, zum 3. Mal seit der Inbetriebnahme des Forschungseisbrechers. Eine der wichtigsten Forschungsfragen lautete: Ist das Meereis in diesem Sommer stärker abgeschmolzen und damit dünner als in den vergangenen Jahren?
Um sie zu beantworten, setzten die Meereisphysiker um Dr. Marcel Nicolaus und Dr. Stefan Hendricks das Messinstrument «EM-Bird» ein. Diese fast vier Meter lange, torpedoförmige Sonde wird mit dem Hubschrauber über das Eis geflogen und misst die Eisdicke mithilfe eines elektromagnetischen Induktionsverfahrens. Auf diese Weise haben die Meereisphysiker ein Eisdickenprofil der zentralen Arktis über eine Gesamtstrecke von mehr als 2500 geflogene Kilometer erstellt. Ihr Fazit lautet: Dort, wo das Meereis in den vergangenen Jahrzehnten hauptsächlich aus alten, dickeren Eisschollen bestand, findet sich derzeit überwiegend einjähriges Eis mit einer Durchschnittsdicke von 90 Zentimetern. Lediglich im Kanadischen Becken und nahe der nordsibirischen Inselgruppe Sewernaja Semlja stiessen die Meereisphysiker auf nennenswerte Mengen mehrjährigen Eises. Dieses alte Eis ist in der Regel zwischen zwei und fünf Meter dick.
Im Vergleich zu ihren Messungen aus dem Jahr 2007, in dem die Meereis-Ausdehnung auf ein Rekordminimum von 4,3 Millionen Quadratkilometer zurückgegangen war, fanden die Forscher jedoch noch keine Unterschiede. «Das Eis hat sich nicht erholt. Es scheint auch in diesem Sommer genauso stark abgeschmolzen zu sein wie im Jahr 2007. Ja, es ist genauso dünn wie im Rekordjahr», sagt Hendricks.
Deutliche Unterschiede konnten die Forscher dort nachweisen, wo das Eis in diesem Sommer fehlte – zum Beispiel in der Laptew Sea. «Auf unserer Expedition im Jahr 2007 stiessen wir im September in der Laptew Sea bereits auf dünnes, neugebildetes Eis. Diesmal aber war von Eisbildung weit und breit nichts zu spüren. Die Wassertemperatur in zehn Metern Tiefe betrug drei Grad Celsius – so stark hatte die Sonne die eisfreien Wasseroberflächen erwärmt», sagt Prof. Dr. Ursula Schauer, wissenschaftliche Leiterin des Fahrtabschnittes durch die zentrale Arktis. Diese Erwärmung ist aber nur auf die obersten Schichten beschränkt. In der Tiefe des Arktischen Ozeans sorgt kälteres Wasser aus dem Atlantik derzeit für sinkende Wassertemperaturen.
Quelle: AWI, Bremerhaven