Mega-Canyon unter Grönlands Eis
Ob Lake Wostok, Lake Whillans oder andere, das Eis der Antarktis ist förmlich unterhöhlt von einem ganzen System aus subglazialen Seen und verbindenden Strömen. In ihnen sammelt sich das Schmelzwasser von der Unterseite der Gletscher und Eisschilde und wird letztlich ins Meer befördert. Für Grönland jedoch war ein solches Netzwerk aus subglazialen Seen und Flüssen bisher nicht bekannt. Das aber wirft eine entscheidende Frage auf: Was passiert mit dem Schmelzwasser auf dieser arktischen Rieseninsel? Die Antwort darauf ist wichtig, vor allem für die Stabilität des Eisschilds. Bleibt das Wasser grossflächig stehen und bildet einen Film, wirkt dies wie ein Schmiermittel für das tonnenschwer darüber liegende Eis. Die Gletscher und Eisplatten rutschen dann auf diesem Wasserfilm umso schneller in Richtung Ozean. Wird dieses Schmelzwasser aber durch ein Netz von Kanälen und Gräben abgeleitet, bremst die Reibung mit dem Untergrund die Gletscher ab und hält das Eisschild stabil. Gerade angesichts des Klimawandels ist es daher wichtig, möglichst genau zu wissen wie es unter dem Eis Grönlands aussieht.
Das Forscherteam unter Leitung von Jonathan Bamber von der «School of Geographical Sciences» im englischen Bristol vermutet, dass der Canyon eine wichtige Rolle dabei spielt, das Wasser aus dem Schmelzprozess an der Oberfläche des Packeises zum Rande der Eisfläche und damit letztlich in den Arktischen Ozean zu leiten. Die bislang unbekannte Schlucht sei vermutlich älter als die Eisfläche, die Grönland seit Millionen von Jahren zudeckt. Sie hat die Form eines sich schlängelnden Flussbetts und reicht vom Zentrum bis zur Nordspitze der grössten Insel der Welt.
Schon vor dem Entstehen der Eisfläche vor mindestens vier Millionen Jahren sei die Schlucht als Bett eines gigantischen Flusssystems ein wichtiger Weg für den Wasserabfluss von der Insel gewesen. Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass der Canyon ein effizienter Weg ist, um das Wasser Grönlands aus der ansonsten eher flachen Topografie abzuführen.
Die Entdeckung der riesigen Schlucht widerlege die Annahme, dass die Landschaft der Erde bereits vollkommen erforscht und kartographisch erfasst sei, sagte Bamber. «Unsere Forschungen zeigen, dass es auf der Erde noch immer viel zu entdecken gibt.»