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Gudym – das geheime Nuklearlager

Geschrieben von Heiner Kubny am . Veröffentlicht in Geschichte.

Unter der Vielzahl von verlassenen Militärbasen in der ehemaligen Sowjetunion war Gudym, möglicherweise die unheimlichste und geheimste Einrichtung. Gelagert waren während des kalten Krieges Atomsprengköpfe und Raketen. Die Anlage liegt über die Beringstrasse nur wenige Kilometer vom ehemaligen Feind - den Vereinigten Staaten von Amerika entfernt.

Werner Breiter vom PolarNEWS-Filmteam bei Dreharbeiten zum Film «Chukotka» im Sommer 2010.
Werner Breiter vom PolarNEWS-Filmteam bei Dreharbeiten zum Film «Chukotka» im Sommer 2012.

Gudym war ein Teil des sowjetischen Nuklearschirms, es wurde auf Erlass von Nikita Chruschtschow errichtet, der einst den USA drohte: «In Tschukotka haben wir auch Raketen!» Tatsächlich wurden im Berg beim Dorf Gudym Raketen und Kernsprengköpfe aufbewahrt. Seit 1986, nach der Ratifizierung des Vertrages über die Vernichtung der Raketen mit mittlerer und kürzerer Reichweite durch die UdSSR und die USA, begann man die Kernwaffen aus dem Objekt zu entfernen. Unterirdische Räume benutzte man dann als Lager der Anadyr-Garnison. In den 1990er Jahren wurde das Objekt endgültig aufgelöst. Das Militär verliess Gudym 2002.

Der Verwaltungsort von Gudym, hier im Bild, war von den Wohneinheiten des Personals einige Kilometer entfernt.
Der Verwaltungsort von Gudym, hier im Bild, war von den Wohneinheiten des Personals einige Kilometer entfernt.

Heute ist es nur noch die «Stadt ohne Namen», welche in der Nähe von Anadyr in einem Tal zwischen Hügeln liegt. Die Einheimischen wussten dazumal, dass einige militärische Anlagen gebaut wurden, hatten keine Ahnung über die Brisanz der Atomlager. Für das Militärpersonal wurde im Tal eine Siedlung für ca. 5000 Personen, meist Offiziersfamilien aufgebaut. Es wurden überdurchschnittliche Gehälter und Zulagen bezahlt. Für die Einwohner von Gudym gab es eigene Lebensmittellager und Lieferengpässe wie dazumal in Russland üblich kannte man hier nicht.

Gut versteckt liegt oberhalb des Verwaltungsortes von Gudym einer der Eingänge zum Tunnelsystem. Foto: Alexander Belenkiy
Gut versteckt liegt oberhalb des Verwaltungsortes von Gudym einer der Eingänge zum Tunnelsystem. Foto: Alexander Belenkiy

Die eigentlichen Atomsprengköpfe und Raketen wurden in kilometerlangen Tunnels gelagert und waren gegen feindliche Atomangriffe komplett geschützt. Der Güterverkehr durch die kilometerlangen Gänge wurde von Elektromobilen durchgeführt. Die Anlage hatte zwei Haupteingänge und mehrere versteckte Nebenausgänge. Angeblich sollen zeitweise 3-4 «RSD-10 Pioner» Atomraketen mit einer Reichweite von 5'400 Kilometer in Gudym stationiert gewesen sein.

Meterdicke Rolltore schützten die gelagerten Atomsprengköpfe und Raketen.
Meterdicke Rolltore schützten die gelagerten Atomsprengköpfe und Raketen.

Die ehemalige Sowjetunion steht im Verdacht, mindestens 15 geheime Städte unterhalten zu haben. Diese «geschlossenen Städte» sind offiziell von der Regierung eingestuft worden, hatten für die Öffentlichkeit keine Namen und die Orte erschienen auf keiner Landkarte. Zudem gab es keine Verkehrsschilder welche auf die Militäranlagen hindeuteten und Besuche von Ausländern waren streng verboten. Das in den geheimen Städten lebende Militär wurde von der umliegenden Bevölkerung komplett abgeschirmt, zu gross war die Angst entdeckt zu werden.

Die Tunnels zu den Lagerstätten der Sprengköpfe und Raketen waren mehrere Kilometer lang.
Die Tunnels zu den Lagerstätten der Sprengköpfe und Raketen waren mehrere Kilometer lang.

Ursprünglich wurde die Atomanlage Anady-1 genannt, aber zu Ehren des Bauingenieurs Colonel Gudymov erlangte sie den Namen Gudym. Der Ort ist überwuchert mit verschiedenen Legenden: eine davon besagt, dass Colonel Gudymov unter mysteriösen Umständen Selbstmord beging, nachdem er aus den USA ein anonymes Telegramm erhielt, welches ihm herzlich zum erfolgreichen Aufbau der geheimen Militärbasis gratulierte! Eine andere Legende besagt, dass Dokumente aus der NS-Zeit hier gelagert wurden.

Wo früher heikle Fracht umgeladen wurde liegt heute nur noch Schutt. Foto: Alexander Belenkiy
Wo früher heikle Fracht umgeladen wurde liegt heute nur noch Schutt. Foto: Alexander Belenkiy

Durch kilometerlange Tunnels wurden die Nuklear-Sprengköpfe transportiert. Foto: Alexander Belenkiy
Durch kilometerlange Tunnels wurden die Nuklear-Sprengköpfe transportiert. Foto: Alexander Belenkiy

Einrichtungen wurden einfach liegengelassen.
Einrichtungen wurden einfach liegengelassen.