Alaska - Shell legt Ölbohrungen auf Eis
Vor einigen Wochen hatte sich eine Ölplattform während eines heftigen Sturms losgerissen und war auf Grund gelaufen. Obwohl es glücklicherweise glimpflich abgelaufen war, geriet Shell weiter unter Druck in Bezug auf seine Bohrpläne. Nun hat der Konzern entschieden, dass seine zwei Bohrschiffe nach Asien für grössere Reparaturen geschleppt werden sollen. Damit hat Shell seine Pläne, mit Probebohrungen im nächsten Sommer in den eisigen Gewässern vor der Küste Alaskas, aufs Spiel gesetzt. Der neue potentielle Aufschub muss nicht notwendigerweise das Ende des 7-Jahres-Plans zur Etablierung eines neuen Erdölfördergebietes, der mit US$ 4.5 Milliarden veranschlagt wurde, bedeuten. Aber es wird wohl die Position der Umweltverbände stärken, die sich seit langem gerichtlich für einen Stopp oder zumindest eine Verzögerung der Förderung eingesetzt hatten, da sie die Gefahr einer Ölpest und unwiederbringlichem Schaden an der Natur gesehen haben. Es wird auch der Obama-Administration beträchtlich mehr Zeit verschaffen, um zu entscheiden, ob sie Shell weiterhin erlauben möchten, ihre Pläne in den beiden Gebieten umzusetzen, vor allem nach zwei Unfällen, nicht bestandenen Inspektionen und mechanischen Problemen, welche das Sicherheitsmanagement der Firma in Frage stellen. Die Verwaltung hatte die Bemühungen der Firma zur Sondierung eines riesigen Ölfeldes, welches hunderte Millionen Fässer Öl hätte produzieren sollen, unterstützt. Aber zwei unabhängige Bundesermittlungen, eine über den Unfall der Förderplattform «Kulluk» am Silvesterabend, als sie auf Grund lief, und die andere über eine generelle Bewertung der Sicherheitskontrollen von Shell und ein Überblick über seine Subunternehmer, legten die Pläne wieder auf Eis.
Die Geschäftsführung von Shell sagte, dass die Entscheidung, die beiden Schiffe nach Asien zu schicken, wo entsprechend Trockendockanlagen für die benötigten Arbeiten vorhanden sind, völlig freiwillig getroffen wurde und der Zeitrahmen, der für die Reparaturen benötigt werde, noch unbekannt sei. «Wir haben noch keine endgültige Entscheidung für die Bohrungen 2013 in Alaska getroffen», sagte Curtis Smith, der Firmensprecher in Alaska. «Der Ausgang der Inspektionen und die Bandbreite der Reparaturen in Asien werden darüber entscheiden.» Damit die Bohrungen doch noch stattfinden könnten, werden zwei Schiffe, bzw. Plattformen, benötigt, eine als Ersatz, um Entlastungsbrunnen zu bohren im Falle eines Blow-Outs (wie im Golf von Mexiko). Die Geschäftsführung von Shell hat verlauten lassen, dass die «Kulluk» erhebliche Schäden an der Hülle aufweist, die durch die Grundberührung bei der Insel Sitkalidak nach einem heftigen Sturm zustande kamen. Zusätzlich hatte eindringendes Meerwasser elektrische Schäden verursacht. Weiter sagten sie, dass die Antriebssysteme an der zweiten Plattform, der «Noble Discoverer», Unterhaltsarbeiten benötigten und eventuell ausgetauscht werden müssten, um wieder seetauglich zu werden und bei einer Inspektion der US-Küstenwache zu bestehen. Die «Noble Discoverer» hatte sich im letzten Juli losgerissen und war beinahe an der Küste von Alaska auf Grund gelaufen und nur vier Monate später wurde sie bei einer Explosion und einem Feuer an Bord in einem Hafen auf den Aleuten beschädigt. Ende November 2012 hatte schliesslich die Küstenwache bei einer Inspektion Probleme am Verschmutzungskontrollsystem der «Noble Discoverer» entdeckt. «Shell kann nicht einfach die Tatsache hinter sich lassen, dass es sich hier um eine komplexe und sehr schwierige Operation handelt, die nicht gut gelaufen ist», meint Lois Epstein, eine Umweltingenieurin der The Wilderness Society und Mitglied eines Beratergremiums über Sicherheit bei Offshore-Bohrungen des Innenministeriums. «Sie wussten, dass sie unter starker öffentlicher Beobachtung standen und sie haben es trotzdem nicht richtig gemacht.»
Eine zusätzliche Ölpestschutz-Barkasse hatte im August 2012 die Untersuchungen der US Küstenwache nicht bestanden und hatte eine Busse für viermaliges illegales Ablassen von Flüssigkeiten erhalten. Als ein Sicherheitsbehälter, der auf der Barkasse geladen war, im letzten Sommer getestet werden sollte, löste er sich beim Herunterlassen vom Kran und fiel ins Wasser. Als der Behälter wieder nach oben trieb, hatten sich die Seiten aus Stahl unter dem Wasserdruck durchgebogen. Ohne die notwendigen Schutzbehälter konnten die beiden Plattformen von Shell keine Tiefenbohrungen in die öl- und gashaltigen Zonen durchführen. Stattdessen hatten sie einige Oberflächenlöcher gebohrt zur Vorbereitung für tiefere Bohrungen im kommenden Sommer.
Das kleine Zeitfenster für die Bohrungen, welches auf dem Aufbrechen des Eises und den Abmachungen mit den lokalen Einwohnern Alaskas zum Schutz der Wale und anderen Wildtieren beruhte, öffnet sich im Juli und dauert bis Oktober. In den letzten vier Jahren war Shell bereit für die Bohrungen, wurde aber durch Gerichtsbeschlüsse, Beamtenaufschübe, einem Bohrmoratorium, welches nach der Katastrophe im Golf von Mexiko 2010 verhängt wurde, und nicht bestandenen Zulassungstest immer wieder gestoppt. Die beiden Plattformen sind zwischenzeitlich in die Jahre gekommen, was zu den Problemen mitbeigetragen hatte.
Die «Noble Discoverer» wurde 1966 gebaut und war zuerst für den Transport von Baumstämmen gedacht, bevor es 1972 in eine Bohrplattform umgewandelt wurde. Sie wurde mehrfach aufgerüstet aber Umweltschützer hatten sich gefragt, ob sie für einen Einsatz in den eisigen und windigen Gewässern der Arktis genüge. Denn im September 2012 sah sich Shell gezwungen, die Plattform bereits nach einem Bohrtag wieder aus ihrer Verankerung zu lösen, da eine grosse Menge Eis in 16 Kilometer Distanz auf sie zugetrieben wurde.
Die «Kulluk» wurde 1983 gebaut und hat bereits ein Dutzend Bohrlöcher in der Beaufort-See erstellt. Aber sie hat seit 1993 kein komplettes Ölbohrloch mehr gebohrt und war 17 Jahre in der kanadischen Arktis festgemacht. Shell hat bereits mehr als US$ 200 Millionen für die Wiederinstandsetzung der Plattform ausgegeben. Während die «Noble Discoverer» die Wartungsarbeiten in Südkorea durchführen wird, ist eine Entscheidung für die «Kulluk» über den Ort der Arbeiten noch nicht gefallen.
Quelle: www.nytimes.com