Verliert Longyearbyen seinen Status „Tor zum Nordpol“?
Den Nordpol zu erreichen ist auch heutzutage eine Herausforderung aufgrund seiner Lage mitten auf dem Meereis des Arktischen Ozeans. Um dorthin zu gelangen, nutzen viele Reisende das russische Eiscamp Barneo, eine Treibeisstation, die schon seit 15 Jahren jedes Jahr errichtet wird. Normalerweise werden Passagiere und Material dorthin via dem Flughafen Longyearbyen transportiert. Doch in diesem Jahr mussten die Betreiber vielen Problemen entgegentreten, sowohl wegen Eis wie auch politischer Natur. Nun haben sie beschlossen, ihren Flugplan zu ändern und in Zukunft Flüge ab dem Franz-Josef-Land Archipel anzubieten.
Diese Saison hat sicherlich zu den schwierigsten für die Campbetreiber gehört. Ungewöhnlich hohe Temperaturen im Gebiet des zentralen arktischen Ozeans, ungewöhnliche Ozeanströmungen und stark zerbrochene Eisschollen hatten es sehr schwierig gemacht, einen brauchbaren Platz für das Lager zu finden. Am 25. März wurde schliesslich eine geeignete Eisscholle gefunden. Doch der Aufbau der Landepiste verursachte weitere Probleme, da wegen starker Eisbewegungen immer wieder Risse die Landebahn unbrauchbar machten. Am Ende wurde die fünfte Piste in einiger Entfernung zum Lager errichtet und hielt mehr oder weniger bis zum Ende der Saison.
Und als ob dies nicht gereicht hätte, verhinderten auch noch technische Probleme eine glatte Operation des Lagers. Diese Probleme beinhalteten u.a. das Finden eines geeigneten Anhängers, um einen weiteren Traktor, der für die Konstruktion der Piste benötigt wurde, von Moskau nach Murmansk zu bringen. Weiter fehlte zu Beginn der Operation das benötigte Flugzeug, um die Flüge von Longyearbyen und Murmansk zum Camp durchführen zu können. Das einzige brauchbare Flugzeug ist eine Antonov AN-74, die speziell für Flüge in polaren Regionen entwickelt wurde. Eines der wenigen verfügbaren Flugzeuge dieses Typs war erst bereit, nachdem die Landebahn fertiggestellt worden war (Piste Nummer 1 zu dem Zeitpunkt) und einen Tag vor Beginn der Landeoperationen.
Die Kirsche auf der Torte war der Entzug der Flugerlaubnis am 7. April durch die norwegischen Flugbehörden und eine detaillierte Passagier- und Frachtliste bereits 48 Stunden vor den Flügen. Gemäss offizieller Angaben von der Facebookseite der Campbetreiber wurde diese Änderungen der Flugbestimmungen durch einen Bericht des „Independent Barents Observer“ (IBO) ausgelöst. In diesem wurde über den Transport von russischem Militärpersonal ins Camp über den Flughafen von Longyearbyen berichtet, durchgeführt vom Campbetreiber Russian Geographical Society Expedition Center. Knapp später berichtete eine andere Online-Zeitung, der „Barents Observer“, über tschetschenische Spezialeinheiten, die an gemeinsamen Übungen mit dem russischen Militär am Nordpol teilgenommen hatten und wie sie den Flughafen Longyearbyen als Abflughafen genutzt hatten. Gemäss dem Artikel des IBO, sei dies „eine Bedrohung der nationalen Sicherheit“ und ein eventueller Bruch des Svalbardvertrages Artikel 9 gewesen. Doch tatsächlich sind die Umstände und die Informationen alles andere als klar. Tatsache ist, dass mehrere Länder Fallschirmsprünge über dem Camp durchgeführt hatten und dies in den letzten drei Jahren immer wieder als Teil einer Ausbildung zum Überleben in schwersten Bedingungen durchgeführt worden war. Gemäss offiziellen Angaben der russischen Behörden dienen diese Trainings zur Verbesserung des Personals bei Such- und Rettungsmissionen.
Die Flugerlaubnis wurde bald darauf wieder erteilt und schon kurz darauf wurden die Flüge von Longyearbyen ins Camp Barneo wieder aufgenommen. Da aber das Eis immer instabiler ist, wird das Camp jetzt geschlossen und das Material wird zurück nach Russland transportiert. Auf der Facebookseite der Betreiber steht, dass aufgrund der ganzen Schwierigkeiten, im Besonderen die härteren Transportbestimmungen durch die norwegischen Flugbehörden, in Zukunft die Flüge vom und zum Camp Barneo über den Militärflugplatz Nagurskaya im Franz-Josef-Land Archipel durchgeführt werden. Der Flugplatz und die ganze Station auf Alexandra Island wird gegenwärtig von den russischen Behörden erneuert. Die Lage des Flugplatzes über dem 80. Breitengrad Nord verkürzt die Flugzeiten in der Zukunft. Die norwegischen Behörden erklären, dass sie keinen Kontakt mir den russischen Kollegen über die Frage hatten. Für die zukünftigen Nordpolreisenden wird es sich zeigen, über welche Route sie zu ihrem Ziel gelangen werden.
Quelle: Barneo Facebookseite, The Independent Barents Observer