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AWI findet Gründe für schwankende Krillbestände

Geschrieben von Dr. Michael Wenger am . Veröffentlicht in Fauna & Tierwelt.

Er ist nur knapp sechs Zentimeter groß und spielt doch eine große Rolle im Ökosystem der Antarktis: Der Kleinkrebs Euphausia superba (Antarktischer Krill). Er ist eine der am häufigsten vorkommenden Arten der Welt und die Nahrungsgrundlage für viele Tiere im Südpolarmeer. Lange Zeit rätselten Wissenschaftler, warum die Größe der Krillbestände immer wieder stark schwankt. Ein internationales Forscherteam um Prof. Dr. Bernd Blasius, Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg, und Prof. Dr. Bettina Meyer, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und ICBM zeigt in einer neuen Studie: Vor allem die Konkurrenz um Nahrung innerhalb der Population ist für die Schwankungen verantwortlich.

Antarktischer Krill ist die Hauptnahrungsquelle der meisten Tiere in der Antarktis. Die Krebse sind von der Eisbildung abhängig und kommen in riesigen Schwärmen vor. Lange Zeit war nicht klar, warum die Grösse der Schwärme schwankt. Bild: Ulrich Freier, AWI
Antarktischer Krill ist die Hauptnahrungsquelle der meisten Tiere in der Antarktis. Die Krebse sind von der Eisbildung abhängig und kommen in riesigen Schwärmen vor. Lange Zeit war nicht klar, warum die Grösse der Schwärme schwankt. Bild: Ulrich Freier, AWI

Die Forscher werteten Langzeitdaten aus und entwickelten ein mathematisches Modell, um die Veränderungen der Bestände zu untersuchen. Ihre Ergebnisse sind nun in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachmagazins „Nature Ecology & Evolution“ erschienen. Schon länger ist bekannt, dass die Bestände des Antarktischen Krills über einen Zeitraum von fünf bis sechs Jahren stark schwanken. Dabei verändert sich die Biomasse um mehr als das Zehnfache. Experten vermuteten bislang, dass klimatische Faktoren, wie das stark jahreszeitlich geprägte Polarklima, den sogenannten Krillzyklus auslösen. Wirkliche Belege dafür fehlen jedoch. Die Analysen der Forscher aus Oldenburg und Bremerhaven deuten nun darauf hin: Vor allem Rückkopplungen innerhalb der Population verursachen den Zyklus. Gerade im antarktischen Herbst konkurrieren die Kleinkrebse innerhalb des Schwarms vermehrt um Nahrung. Denn in dieser Zeit müssen Larven und ausgewachsene Tiere ausreichende Fettreserven für den nahenden Winter anlegen. Gleichzeitig nimmt die Nahrung des Krill, die mikroskopisch kleinen Algen des Phytoplanktons, aufgrund der kürzer werdenden Tage stark ab. Größere Krillbestände müssen längere Zeit hungern, überwintern und sich fortpflanzen. All dies lässt die Populationsgröße schwanken.

Krillkrebse lassen sich im Winter im Eis einfrieren. Dazu verringern sie nicht nur ihr Gewicht, sondern sie schrumpfen komplett. Im Frühjahr, wenn die Algenblüte wieder einsetzt, müssen sie schnell sehr viel fressen. Bild: Jan van Franeker, Wageningen Marine Research
Krillkrebse lassen sich im Winter im Eis einfrieren. Dazu verringern sie nicht nur ihr Gewicht, sondern sie schrumpfen komplett. Im Frühjahr, wenn die Algenblüte wieder einsetzt, müssen sie schnell sehr viel fressen. Bild: Jan van Franeker, Wageningen Marine Research

„Wir können zeigen, dass vor allem Konkurrenz innerhalb der Krill-Population im Herbst für die Schwankungen sorgt“, sagt ICBM-Forscher Dr. Alexey Ryabov. Bisher hatten Wissenschaftler angenommen, dass eher der Winter kritisch für das Überleben der Krill-Larven ist. Denn wenn weite Teile des südlichen Ozeans von Eis bedeckt sind, gibt es für die Kleinkrebse nur wenig Nahrung. „Unsere Ergebnisse werfen jedoch ein neues Licht auf diese Annahme“, sagt Bettina Meyer. Nachvollziehen konnten die Wissenschaftler die Prozesse mit einem eigens entwickelten sogenannten bioenergetischen Modell, das unter anderem das Wachstum des Krills vom Ei bis zum ausgewachsenen Tier abbildet und mit der Nahrungsverfügbarkeit koppelt. „Die Ergebnisse dieser Simulationen stimmten gut mit den über einen Zeitraum von 18 Jahren tatsächlich beobachteten Zyklen überein“, sagt Bernd Blasius. Nach Ansicht der Forscher helfen ihre Simulationen auch, das Nahrungsnetz im Südpolarmeer insgesamt besser zu verstehen. Denn der Krill spielt eine Schlüsselrolle im Ökosystem der Antarktis: Von ihm ernähren sich Wale, Robben oder Pinguine. Die Modellergebnisse zeigen nun: Gibt es weniger dieser großen Räuber, verstärkt dies wahrscheinlich die Schwankungen der Krillbestände. „Dies könnte das Nahrungsnetz in der Region destabilisieren und die Zahl der großen Räuber weiter senken“, sagt Bettina Meyer. Umgekehrt könnte ein erhöhter Jagddruck auf den Krill dessen Bestände sogar stabilisieren. „Jeder Faktor, der dieses empfindliche Gleichgewicht ändert, kann drastische Auswirkungen auf das gesamte antarktische Ökosystem haben“, schlussfolgert Bernd Blasius.

Krill ist wahrscheinlich eine der häufigsten Tierart weltweit. Schätzungen gehen von mehreren Gigatonnen von den bis zu 6 cm grossen Krebstieren im Südpolarmeer aus. Bild: Jan van Franeker, Wageningen Marine Research
Krill ist wahrscheinlich eine der häufigsten Tierart weltweit. Schätzungen gehen von mehreren Gigatonnen von den bis zu 6 cm grossen Krebstieren im Südpolarmeer aus. Bild: Jan van Franeker, Wageningen Marine Research

Quelle: AWI, Bremerhaven