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Die Wärme, die aus der Tiefe kommt

Geschrieben von Heiner Kubny am . Veröffentlicht in Forschung & Umwelt.

Die Wassertemperaturen auf dem westantarktischen Schelf steigen. Grund dafür ist vor allem warmes Wasser aus größeren Tiefen, das im Zuge globaler Veränderungen jetzt vermehrt auf die flachen Schelfmeere gelangt. Dort könnte es von unten die Gletscherschmelze beschleunigen und noch mehr große Gletscher ins Rutschen bringen. Das zeigen Daten, die Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zusammen mit Kollegen aus Großbritannien, den USA und Japan jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Science veröffentlichen.

Das antarktische Eis ist ein gigantischer Wasserspeicher. Auf dem Südkontinent liegt eine durchschnittlich 2100 Meter dicke Eisdecke, die etwa 70 Prozent des weltweiten Süßwassers beinhaltet. Würden diese Wassermassen komplett freigesetzt, könnten sie den Meeresspiegel um über 60 Meter ansteigen lassen. Kein Wunder, dass Wissenschaftler Veränderungen in der Antarktis aufmerksam beobachten. In dem internationalen Wissenschaftsjournal Science veröffentlichen Forscher aus Deutschland, Großbritannien, den USA und Japan jetzt Daten, die nahelegen, dass vor allem in der Westantarktis die Wassertemperaturen auf den flachen Schelfmeeren steigen. „Dort liegen viele große Gletscher. Die erhöhten Temperaturen haben das Abtauen und Abrutschen dieser Gletscher in den letzten Jahrzehnten beschleunigt und es ist nicht abzusehen, dass dieser Trend nachlässt", sagt der Erstautor der Studie Dr. Sunke Schmidtko vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Die Gletscher in der Westantarktis sind beinahe ausnahmslos zurückgegangen aufgrund der Erwärmung. Die Mechanismen dafür sind aber erst jetzt beleuchtet worden. © NASA
Die Gletscher in der Westantarktis sind beinahe ausnahmslos zurückgegangen aufgrund der Erwärmung. Die Mechanismen dafür sind aber erst jetzt beleuchtet worden. © NASA

Für ihre Studie haben er und Kollegen von der University of East Anglia, vom California Institute of Technology sowie von der Universität Hokkaido (Japan) alle ozeanographischen Daten aus den Gewässern rund um die Antarktis zwischen 1960 und 2014 ausgewertet, die in öffentlichen Datenbanken verfügbar waren. Diese Daten zeigen, dass schon zu Beginn der Messungen die Wassermassen in den westantarktischen Schelfmeeren etwas wärmer waren, als zum Beispiel im Weddellmeer. Doch der Temperaturunterschied ist nicht konstant. Seit 1960 steigen die Temperaturen in der westantarktischen Amundsensee und der Bellingshausensee weiter an. „Anhand der Daten konnten wir sehen, dass dieser Prozess von außen verstärkt wird", sagt Dr. Schmidtko.

Entlang des Kontinentalhangs vor den flachen Schelfmeeren befinden sich rund um die Antarktis in größeren Tiefen Wassermassen, die mit 0,5 bis 1,5 Grad Celsius für antarktische Verhältnisse sehr warm sind. „Diese Wassermassen haben sich in der Westantarktis im Laufe der vergangenen 50 Jahre erwärmt. Und sie liegen nicht mehr so tief wie noch vor 50 Jahren", so Schmidtko. Speziell in der Amundsensee und der Bellingshausen-See schwappen sie mittlerweile verstärkt auf das Schelf und beschleunigen dort den Erwärmungsprozess.

„Genau in diesen Regionen sind schon länger beschleunigte Gletscherschmelzen beobachtet worden. Wir zeigen, dass ozeanische Veränderungen der vergangenen 50 Jahre diesen Prozess wohl maßgeblich verursacht haben. Das vermehrte Eindringen von wärmeren Wassermassen über die Schelfkante wird mit großer Wahrscheinlichkeit diesen Prozess noch verstärken", erklärt Co-Autorin Professor Karen Heywood von der University of East Anglia, „das hätte dann Auswirkungen auf die Geschwindigkeit des weltweiten Meeresspiegelanstiegs."

Wärmere Wassermassen aus der Tiefe kann durch das kalte Oberflächenwasser nicht durchdringen. Dadurch wird es in Richtung Schelfeis und Gletscher abgelenkt und schmilzt das Eis von unten. © GEOMAR, Dr. Sunke Schmidtko
Wärmere Wassermassen aus der Tiefe kann durch das kalte Oberflächenwasser nicht durchdringen. Dadurch wird es in Richtung Schelfeis und Gletscher abgelenkt und schmilzt das Eis von unten. © GEOMAR, Dr. Sunke Schmidtko

Die Wissenschaftler lenken die Aufmerksamkeit außerdem auf den Anstieg der warmen Wassermassen im südwestlichen Weddellmeer. Dort herrschen noch sehr kalte Temperaturen von weniger als minus 1,5 Grad Celsius auf dem Schelf vor. Ein größeres Abschmelzen der Eisschelfe ist bisher nicht beobachtet worden. Falls der Anstieg der warmen Wassermassen anhält, ist aber zu erwarten, dass es auch dort zu größeren Veränderungen mit dramatischen Folgen für das Filchner- und eventuell auch Rønne-Eisschelf kommt. So würden dann erstmals auch Gletscher von unten anschmelzen, die nicht zur westlichen Antarktis gehören. Auch sie könnten verstärkt abrutschen.

Wenn Eisschelfe auseinanderbrechen, entstehen riesige Tafeleisberge. Einer der bekanntesten war der B-31, der im Jahr 2000 vom Rosseisschelf abbrach und rund 295 km Länge aufwies. Er zerbrach im Laufe der Jahre in mehrere Eisberge, unter anderem in B-15A © Josh Landis, NSF
Wenn Eisschelfe auseinanderbrechen, entstehen riesige Tafeleisberge. Einer der bekanntesten war der B-31, der im Jahr 2000 vom Rosseisschelf abbrach und rund 295 km Länge aufwies. Er zerbrach im Laufe der Jahre in mehrere Eisberge, unter anderem in B-15A © Josh Landis, NSF

In wie weit die vielfältige Biologie des südlichen Ozeans von den beobachteten Veränderungen beeinflusst wird, ist nicht abschließend geklärt. Die Schelfgebiete sind unter anderem Laichgebiete für den Antarktischen Krill, eine im Südozean weit verbreitete Garnelenart, welche im Antarktischen Nahrungskreislauf eine Schlüsselstellung einnimmt. So haben Forschungsergebnisse gezeigt, dass sich Laich-Zyklen unter wärmeren Bedingungen verändern. Eine abschließende Bewertung der Auswirkungen steht jedoch noch aus.

Die genauen Ursachen für das weitere Erwärmen und Ansteigen der warmen Wassermassen konnten die Autoren noch nicht ausmachen. „Wir vermuten, dass sie mit großräumigen Veränderungen der Windsysteme über der Südhalbkugel zusammenhängen. Aber welche Prozesse im Einzelnen dabei eine Rolle spielen, muss in zukünftigen Studien noch genauer betrachtet werden", erklärt Dr. Schmidtko.

Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, www.geomar.de