Kollabierendes Schelfeis wegen Schneemangel
Eisschelfe sind in der Antarktis die spektakulären, riesigen Eiszungen, die von den Gletschern an Land gespeist werden. Wie gigantische Wände ragen sie aus dem Meer heraus und wenn Teile davon abbrechen, bilde sie riesige Tafeleisberge, die von Wind und Strömung getrieben rund um die Antarktis treiben.
In den Jahren 1995 und 2002 kollabierten plötzlich 2 Eisschelfe im Norden der antarktischen Halbinsel, die Larsen A und B Eisschelfe - und zwar innerhalb weniger Wochen. Dr. Peter Kuipers Munneke, der Hauptautor der nun veröffentlichten Studie, meint dazu: «Das war ein spektakuläres Ereignis, besonders wenn man sich die Grösse der Eisschelfe vor Augen führt. Denn diese sind mehrere hundert Meter dick und waren seit mehr als 10'000 Jahren dort.» Das Team von Wissenschaftlern vermutete, dass das Verschwinden der Schneedecke auf der Eisoberfläche eine wichtige Voraussetzung für den Zusammenbruch gewesen sein könnte. Ihre Berechnungen bestätigen nun diese Hypothese und zeigen auch, dass einige Eisschelfe in den nächsten 200 Jahren ein ähnliches Schicksal erleiden können. Die Forscher glauben, dass die Schneeschicht eine wichtige Rolle in der Regulierung der Effekte von Schmelzwasserseen auf den Eisschelfen spielt.
Solange die Schneeschichten genügend dick und kalt ist, kann das Schmelzwasser in den Schnee einsinken und wieder gefrieren. Aber in einem wärmeren Klima nimmt die Menge an Schmelzwasser zu und die Schneeschicht wird gleichzeitig dünner. Als Resultat kann das Schmelzwasser nicht mehr wiedergefrieren und bildet grosse Seen auf der Oberfläche der Schelfe. Das Wasser rinnt durch Spalten und Ritzen, die dadurch vergrössert werden, bis sie so breit und tief sind, dass die Stücke auseinanderbrechen. Nach dem Zusammenbruch der schwimmenden Eisschelfe, bilden diese keinen Widerstand für die Fliessbewegung der Gletscher mehr, die bis dahin die Eisschelfe geformt haben. Dadurch beschleunigt sich die Fliessgeschwindigkeit der Gletscher signifikant und bringen mehr Eis ins Meer, was wiederum den Meeresspiegel ansteigen lässt.
Die Forscher führten Berechnungen durch, die zeigten, wie sich diese Prozesse in den nächsten 200 Jahren entwickeln werden und nutzen dafür 2 Klimaszenarien. Dazu meint Dr. Munneke: «Wenn wir fossile Brennstoffe mit derselben Geschwindigkeit verbrauchen wie bisher, sind praktisch alle Eisschelfe der antarktischen Halbinsel in Gefahr, in den nächsten 200 Jahren zu verschwinden. Nur die zwei grössten scheinen sicher zu sein. Sogar im viel kälteren östlichen Teil von Antarktika könnten sich einige Eisschelfe auflösen. Wenn wir er aber schaffen, die globale Erwärmung unter den von der EU vorgeschlagenen 2°C halten können, würden mehr als die Hälfte der Eisschelfe erhalten bleiben, Im Vergleich zu keinen Massnahmen zur Emissionsreduktion».
Die Studie wurde unter anderem vom vierjährigen Ice2Sea Projekt der EU mitfinanziert. Professor David Vaughan, der Leiter der Studie, sagt: «Wir haben den Rückgang der Eisschelfe auf der antarktischen Halbinsel seit den frühen 1990er Jahren beobachtet. Aber zum ersten Mal bietet diese Modell eine starke Basis für die Vorhersagen zukünftiger Veränderungen, was ein riesiger Schritt in Richtung zukünftige Meeresspiegelveränderungen bedeutet».