Krypton - Neue Uhr für Eisdatierung
Die Fähigkeit, altes Eis zu entdecken, ist nach Meinung von Forschern enorm wichtig, weil es ihnen erlaubt, die Klimageschichte der Erde immer weiter zurück zu verfolgen. Damit können sie potentiell die Mechanismen identifizieren, die für das Auftreten der Eiszeiten (und auch für deren Verschwinden) verantwortlich sind. «Das älteste Eis, das in Eisbohrkernen bisher gefunden wurde, ist rund 800'000 Jahre alt. Mit der neuen Technik glauben wir, dass wir in anderen Gebieten suchen können und Eis erfolgreich bis zu 1.5 Millionen Jahre zurückdatieren können», erklärt Christo Buizert, ein Postdoktorand an der Oregon State Universität und Hauptautor der Studie. «Das ist wahnsinnig spannend, denn es sind viele aufregende Dinge mit dem Erdklima vor dem Zeitraum von 800'000 Jahren geschehen. Und diese konnten wir bisher nicht aus den Eiskernen untersuchen». Die Ergebnisse sind nun in der neuesten Ausgabe von Proceedings of the National Academy of Science (PNAS) veröffentlicht worden.
Krypton erlaubt den Blick zurück
Die Kryptondatierung ist ähnlich der weitverbreitete Kohlenstoff (Karbon) -14 Datierungstechnik, die den Zerfall eines radioaktiven Isotops misst, das eine konstante und genau bekannte Halbwertszeit hat und es mit einem stabilen Isotop vergleicht. Doch im Gegensatz zu Kohlenstoff-14 ist Krypton ein Edelgas, welches nicht chemisch reagiert und ist, mit einer Halbwertszeit von 230'000 Jahren viel stabiler. Die Karbondatierung funktioniert bei Eis nicht so genau, da Karbon-14 im Eis selbst produziert wird, wenn es von kosmischer Strahlung getroffen wird und nur rund 50'000 Jahre zurückgeht. Krypton dagegen tritt auf, wenn diese kosmische Strahlung die Erde trifft und wird dann in Luftblasen gefangen, die selbst im antarktischen Eis eingeschlossen werden. Es besteht unter anderem aus einem sehr langsam zerfallenden Isotop (Krypton-81) und einem stabilen, nicht-zerfallendem Isotop (Krypton-83). Der Vergleich des Verhältnisses zwischen den beiden Isotopen erlaubt Rückschlüsse auf das Alter des Eises.
Neue Technik für alte Idee
Obwohl Wissenschaftler schon seit mehr als 40 Jahren an der Radiokryptondatierung interessiert sind, dauerte es bis zu einem Durchbruch in der Detektortechnologie im Jahr 2011, dass die Datierung von Krypton-81 möglich geworden ist. Denn die Atome kommen in der Antarktis nur in sehr geringen Mengen vor. Der neue Atomzähler Atom Trap Trace Analysis (ATTA) wurde von einer Gruppe von Nuklearphysikern unter der Leitung von Zheng-Tian Lu am Argonne National Laboratory (ANL) in Chicago entwickelt.
In ihrem Experiment am Taylor-Gletscher in der Antarktis legten die Forscher mehrere 300 Kilogramm schwere Eisblöcke in einen Container und schmolzen sie um die Luft aus den Blasen zu befreien. Diese Luft wurde danach in Flaschen gelagert. Das Krypton wurde dann an der Universität Bern aus der Luft extrahiert und zur Zählung der Krypton-81-Atome nach Chicago geschickt. «Der Zähler ist so sensitiv, dass er einzelne Atome einfangen und zählen kann», meint Buizert, der an der Oregon State im College für Erd-, Ozean-, und Atmosphärenwissenschaft arbeitet. «Das einzige Problem ist, dass es zum Schmelzen nicht sehr viel Krypton in der Luft hat und daher ist auch nicht viel im Eis. Deswegen benötigten wir so grossen Mengen an Eis». Die Gruppe am ANL ist kontinuierlich mit der Verbesserung des ATTA-Detektors beschäftigt, erklären die Forscher dort, und sie zielen darauf, zukünftig Analysen mit Eisproben von 20 Kilogramm durchführen zu können.
Auf der Suche nach altem Eis
Die Forschungsgruppe um Buizert errechnete aus dem Isotopenverhältnis, dass die Eisproben vom Taylor-Gletscher 120'000 Jahre alt waren und validierten ihr Resultat durch den Vergleich mit genau datierten Eisprobenmessungen von Methan und Sauerstoff aus demselben Zeitraum. Die Herausforderung besteht nun darin, das älteste Eis in der Antarktis zu finden, was nicht so einfach ist, wie es sich anhört. «Die meisten Menschen meinen, dass es nur eine Frage der Bohrtiefe sei. Aber so einfach ist es nicht», erklärt Edward Brook, ein Geologe der Oregon State und Mitautor der Studie. «Sehr altes Eis existiert wahrscheinlich nur in sehr kleinen, lokal beschränkten Flecken an der Basis des Eispanzers. Und diese sind eventuell noch gar nicht gefunden worden. An den meisten Orten sind diese Flecken wahrscheinlich bereits geschmolzen und ins Meer geflossen». Aber es gäbe auch besondere Regionen, wo altes Eis an den Rändern eines Eisfeldes nach aussen geschoben worden ist, führt Brook weiter aus. «Die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft ist wirklich an der Suche nach altem Eis an beiden Orten interessiert. Und diese neue Datierungsmethode wird dabei sehr nützlich sein», sagt Brook. «Es gibt Orte, an denen Meteoriten, die ursprünglich vom Mars stammen, nach draussen geschoben wurden und an den Gletscherkanten aufgesammelt wurden. Einige von diesen Gesteinen sind schon seit 1 Million Jahre oder länger auf der Erde. Also sollten doch diese Eisstellen auch so alt sein».
Der Blick in die Vergangenheit erklärt die Zukunft
Buizert erklärt, dass die Rekonstruktion des Erdklimas vor 1.5 Millionen Jahre wichtig sei, weil es eine Verschiebung in der Häufigkeit der Eiszeiten gab in einer Periode, die als Mittlerer Pleistozän-Übergang bekannt ist. Man geht davon aus, dass die Erde während der letzten 800'000 Jahre Eiszeiten alle 100'000 Jahre erlebt hat. Aber es gibt Beweise, die zeigen dass davor diese Zyklen alle 40'000 Jahre stattfanden. «Warum gab es diesen Übergang von einem 40'000- zu eine 100'000 Jahre-Zyklus», fragt sich Buizert. «Einige Leute glauben, dass eine Veränderung in der Menge an atmosphärischem Kohlendioxid eine Rolle gespielt hatte. Das ist ein Grund, warum wir so begierig sind, Eis zu finden, welches uns weiter in die Vergangenheit zurückführt. Denn so können wir unsere Daten über vergangene Kohlendioxidmengen ausweiten und diese Hypothese testen».
Quelle: Mark Floyd, Oregon State University www.oregonstate.edu/ua/ncs