Robbenmilch als Schadstoffindikator in der Antarktis
Rainer Lohmann, ein Professor an der URI Graduate School of Oceanography arbeitet zusammen mit einem Wissenschaftler des Southwest Fisheries Science Center in Kalifornien, um mehr über den Gesundheitszustand und die Ökologie der Kerguelen-Pelzrobben herauszufinden, die den Winter an verschiedenen Orten entlang der südamerikanischen Küste verbringen.
«Was wir versuchen herauszufinden, ist, woher die Schadstoffe stammen, und wie sie sich unterscheiden durch die verschiedenen Winterfutterplätze, wo sich die Robben aufhalten», erklärt Lohmann, der schon Studien über marine Schadstoffbelastung an den unterschiedlichsten Plätzen weltweit durchgeführt hat. «Pelzrobben, die ihre Jungen geboren haben, weisen niedrigere Schadstoffwerte auf, als diejenigen, die das noch nicht gemacht haben. Dies, weil sie ihre Schadstoffe an ihren Nachwuchs mittels der Milch weitergeben».
Alle Pelzrobben, die von den Wissenschaftlern untersucht werden, ziehen ihre Jungen auf den Südshetlandinseln in der Antarktis gross. Aber den Winter verbringen die einen an der Küste Argentiniens, die anderen an der Küste Chiles. Man nimmt an, dass die beiden Gruppen dort durch die Nahrung unterschiedlichen Schadstoffen ausgesetzt sind. Lohmanns Labor wird 60 Proben von Robbenmilch, die zwischen 2000 und 2010 gesammelt wurden, analysieren. Er erwartet, eine grosse Menge unterschiedlicher Schadstoffe in den Proben zu finden, darunter Quecksilber, Pestizide, Flammschutzmittel, PCBs und andere organische Schadstoffe. «Dies sind alles Schadstoffe, die sich nur sehr langsam in der Umwelt abbauen. Also werden einige wohl schon seit Jahrzehnten in der Umwelt sein, während andere wie beispielsweise Flammschutzmittel, relativ neue Schadstoffgruppen sind, die auch heute noch von der Industrie benutzt werden», meint Lohmann.
Es gibt nur sehr wenige Studien über marine Schadstoffe in der Antarktis unter anderem, weil die Interessen über Schadstoffmengen in der nördlichen Hemisphäre grösser sind als im südlichen Bereich. «Die beiden Hemisphären vermischen sich nur schlecht und deswegen ist die nördliche Halbkugel verschmutzter als die südliche – die meisten Schadstoffe werden ja auf der Nordhalbkugel in die Umwelt entlassen. Und diese nördlichen Luftmassen kommen nicht so weit und so oft in den Süden. Daher ist die Antarktis viel „sauberer", erklärt Lohmann. «Aber wir wissen nicht, ob die Schadstoffe hier unten das Ergebnis einer langsamen Infiltration aus dem Norden ist oder ob es sich um eine langsame, aber stetige Ansammlung von Schadstoffen aus der Südhemisphäre handelt».
Gemäss Lohmann besitzt die Robbenmilch einen Fettanteil von rund 50 Prozent, damit die Jungen relativ schnell wachsen. Aber dies bedeutet auch, dass, wenn die Milch der Mutter mit Schadstoffen belastet ist, die Jungen diese schneller in ihrem Körper ansammeln. Und durch die geringere Körpergrösse der Jungen könnten sie so ernsthaft stärker beeinträchtigt sein als die Erwachsenen. «Die Robben können den Schadstoffen nicht ausweichen. Also müssen wir darauf hoffen, dass die Konzentration der Schadstoffe in ihrem System relativ rasch wieder abnimmt und die schädlichen Effekte sich nicht auf die Jungen übertragen», sagt Lohmann. «Aber einige Daten weisen darauf hin, dass die Schadstoffkonzentrationen in der Umwelt in den letzten zehn Jahren nicht abgenommen haben, obwohl die meisten Verbindungen schon seit fast 40 Jahren verboten sind». Lohmann vermutet auch, dass einige ältere Verbindungen in den Gletschern der Antarktis eingefroren waren und jetzt wieder freigesetzt werden aufgrund der rapiden Schmelze durch den Klimawandel. «Das könnte dazu führen, dass die Natur wieder chemischen Stoffen ausgesetzt werden wird, die vorher sicher im Eis eingeschlossen waren», meint der Forscher zum Schluss.
Die Resultate von Lohmanns Untersuchungen sollten Ende Februar vorliegen.
Quelle: University of Rhode Island, www.uri.edu/news