Biber verändern das Gesicht der Arktis
Biber sind äußerst effektive Ökosystem-Ingenieure: Wenn eine Landschaft nicht ihren Vorstellungen entspricht, gestalten sie das Terrain einfach um. In gemäßigten Breiten haben sie das seit Jahrtausenden getan. Nun aber weiten sie ihr Betätigungsfeld aus und tauchen immer häufiger in der nordamerikanischen Arktis auf. Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam hat untersucht, welche Folgen das hat. Demnach können die Tiere ganze Ökosysteme verändern und zum Auftauen des Dauerfrostbodens beitragen, schreiben die Forscher im Fachjournal Global Change Biology.
Der Nordamerikanische Biber feiert seit einigen Jahrzehnten ein äußerst erfolgreiches Comeback in vielen Teilen der Welt. Und seine Rückkehr bleibt selten unbemerkt. Denn der bis zu 32 Kilogramm schwere Nager kann ganze Landschaften umgestalten. Er fällt Bäume und baut Staudämme, setzt Wiesen unter Wasser und legt Seen an, wo vorher keine waren. Mit all diesen Aktivitäten schafft er auch günstige Lebensbedingungen für viele andere Arten. Dabei beschränkt er sich allerdings nicht mehr auf jene Regionen, in denen er früher zuhause war. Seit ein paar Jahren tauchen die Tiere sogar in der baumlosen Tundra im Westen und Nordwesten Alaskas und im Nordwesten Kanadas auf. Über die Gründe dafür spekulieren Biologen noch. Es könnte sein, dass sich die Biberbestände jetzt erst von den Jagdexzessen früherer Jahrhunderte erholen und einen entsprechenden Ausbreitungsdrang an den Tag legen. „Wahrscheinlich spielt aber auch der Klimawandel eine Rolle“, sagt Ingmar Nitze vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Im Zuge des Klimawandels aber hat sich die Arktis seit Ende des 19. Jahrhunderts um 1,8 Grad erwärmt. Sie ist grüner geworden, entlang der Flüsse und Seen wachsen mehr und höhere Gehölze als früher, und das Eis auf dem Wasser wird weniger. Aus Biber-Sicht sind das alles gute Nachrichten. Werden die umtriebigen Landschaftsgestalter also in großem Stil in die Arktis vorrücken? Und was bedeutet das für die dortigen Ökosysteme?
Ein Forschungsteam der Universität Alaska Fairbanks und des AWI untersuchte mithilfe von Satellitenaufnahmen ein 18‘000 Quadratkilometer grosses Gebiet im Nordwesten Alaskas. Die Resultate zeigen, dass die Tiere dort zwischen 1999 und 2014 insgesamt 56 neue Seen angelegt haben. Anhand der Verteilung dieser Gewässer ließ sich auch abschätzen, wie schnell und auf welchen Routen die umtriebigen Landschaftsgestalter die Arktis erobern. Die Forscher nehmen an, dass sie in ihrem Untersuchungsgebiet vor allem entlang der Küsten und der größeren Flüsse vordringen und dabei im Schnitt etwa acht Kilometer pro Jahr vorankommen. „In 20 bis 40 Jahren könnten die Tiere geeignete Gewässer im ganzen arktischen Alaska besiedelt haben“, sagt Ingmar Nitze. Das kann eine ganze Reihe von Folgen haben. Zum einen verwandeln die Nager auch in der Arktis stabile Fließgewässer in abwechslungsreiche und dynamische Mosaike aus Seen, Flussabschnitten und Feuchtgebieten. Wie in anderen Regionen der Erde können davon wahrscheinlich viele andere Tiere und Pflanzen profitieren. Zumal die aufgestauten Biber-Seen und auch die unterhalb davon gelegenen Flussabschnitte wärmer sind als andere Gewässer der Region. Auch das verbessert für viele Arten die Lebensbedingungen.
Allerdings hat die Sache einen Haken. Denn das wärmere Wasser der Seen hat auch Auswirkungen auf den Boden ringsum. Abgesehen von den obersten Zentimetern bleibt der normalerweise bis in Tiefen von etlichen hundert Metern dauerhaft gefroren. Mit Sorge beobachten Wissenschaftler, dass dieser sogenannte Permafrost im Zuge des Klimawandels verstärkt auftaut. Denn dabei kann der Boden vermehrt Treibhausgase freisetzen und instabil werden. Und einen solchen Effekt können offenbar auch die Biber auslösen. „Unter und neben ihren Seen wird der Permafrost verstärkt degradiert“, sagt Ingmar Nitze. Das sei allerdings kein Grund, die Nager zu bekämpfen. „Das Hauptproblem der Arktis und ihrer Böden ist der Klimawandel“, betont der Forscher. „Und nicht der Biber.“
Quelle: Alfred-Wegener-Institut