Orca-Omas sorgen dafür, dass Babywale länger leben
Die Anwesenheit einer Orca-Grossmutter erhöht die Überlebenschance ihrer Grosskälber. Das berichten Forscher der Universitäten York und Exeter im Fachmagazin «Proceedings of the National Academy of Sciences».
Dass sich Lebewesen Jahrzehnte vor dem Ende ihrer eigenen Lebensspanne nicht mehr vermehren scheint aus evolutionärer Hinsicht eigentlich keinen Sinn zu machen. Wie könnte es für das Überleben einer Spezies von Nutzen sein, dass Weibchen in der Mitte des Lebens aufhören sich zu reproduzieren? Wissenschaftler vermuten schon länger einen sogenannten «Grossmutter-Effekt» als Grund. Dieser konnte nun erstmals bei Orcas nachgewiesen werden.
Die Wissenschaftler haben dazu über 36 Jahre Orca-Populationen im US-Bundesstaat Washington und in British Columbia (Kanada) beobachtet. Dabei analysierten sie die Überlebensrate von 378 Walkälbern. Sie stellten fest, dass Orca-Kälber mit Grossmüttern eher am Leben bleiben als Jungtiere ohne. Wenn die Oma zudem bereits in der Menopause ist, also keinen eigenen Nachwuchs mehr bekommt, hilft dies ihren Enkeln zusätzlich. Diese Wale könnten besonders viel Zeit und Ressourcen in ihre Grosskälber investieren. Darüber hinaus stieg das Sterberisiko eines Kalbes nach dem Tod seiner Grossmutter zwei Jahre lang dramatisch an. Sie haben während dieser Zeit eine 4,5 mal höhere Sterberate als ihre Artgenossen die weiterhin mit Oma durchs Meer tauchen.
Wenn das Weibchen immer weiter Junge bekäme, würden ihre Kälber verstärkt mit den Grosskälbern um Nahrungsressourcen konkurrieren. Hat die Grossmutter zusätzlich eigene Babys, fällt die Unterstützung für ihre Enkel geringer aus. Zudem braucht sie dann mehr Nahrung für die eigene Milchproduktion und kann die erbeutete Nahrung weniger grosszügig mit der Gruppe teilen. «Es ist bekannt, dass Orca-Omas die Nahrung direkt mit ihren jüngeren Verwandten teilen. Wir vermuten aber auch, dass sie babysitten», so Daniel Franks, einer der Autoren der aktuellen Studie, gegenüber der britischen Zeitung «The Guardian».
Aus evolutionärer Sicht ist es für das Überleben möglichst vieler Nachkommen daher sinnvoller, wenn die «Matriarchin» nach einiger Zeit unfruchtbar wird und sich in den Dienst der Gruppe stellt. Auf diese Weise werden die Gene der Grossmutter am besten erhalten.
Der Grossmutter-Effekt zeigt sich besonders stark wenn die Nahrungsgrundlage für die Tiere knapp ist. Das heisst: Je geringer der Lachsbestand, umso bedrohlichere Folgen hat der Tod der Grossmutter für die Enkel. Die Kälber könnten dann vom jahrelang erworbenen Wissen ihrer Oma profitieren, auch zu alternativen Futtergründen, so die Vermutung. «Im Zuge der weiter schwindenden Lachspopulationen dürften die Grossmütter noch wichtiger für die Killerwalpopulationen werden», ist Franks überzeugt.
Im gesamten Tierreich sind nur fünf Spezies bekannt bei denen die Natur dem weiblichen Geschlecht ein Leben über das fortpflanzungsfähige Alter hinaus schenkt. Neben dem Orca und dem Menschen sind momentan nur drei andere Walarten bekannt, nämlich Belugas, Narwale und Kurzflossen-Grindwale. Ob bei all diesen Arten Familiengruppen wie beim Orca existieren ist bislang nicht klar belegt, es wird aber vermutet.
Ein positiver Effekt von Grossmüttern ist zudem auch bei Elefanten bekannt. Doch diese sind bis zu ihrem Lebensende fortpflanzungsfähig. Eine Menopause kennen die Dickhäuter nicht.
Quelle: PNAS, The Guardian