Arktischer Ozean liegt unter dünnem Eis
Neue Satellitenbeobachtungen bestätigen eine Analyse der Universität Washington, die in den vergangenen drei Jahren zu weitverbreitet zitierte Schätzungen über das arktische Meereisvolumen geführt hatte. Die Resultate der neuen Studie der internationalen Forschergruppe, basierend auf Beobachtungen eines ESA-Satelliten und jetzt publiziert in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters, zeigen, dass die Arktis seit zehn Jahren mehr als ein Drittel des sommerlichen Meereisvolumens verloren hat, als ein US-Satellit ähnliche Daten gesammelt hatte. Vereint man die Daten des Washingtoner Modells mit neuen Satellitenbildern und –messungen, erkennt man, dass das Sommerminimum des arktischen Meereises noch etwa ein Fünftel dessen beträgt, was es 1980 war, dem Startzeitpunkt des Modells.
«Andere Leute hatten eingewendet, dass ein Verlust des Meereisvolumens um 75 – 80 Prozent zu hoch angesetzt wäre», sagt Axel Schweiger, Polarwissenschaftler der Universität Washington und Mit-Autor der Studie. «Was diese neue Studie zeigt, ist, dass unsere Eisverlustschätzungen eher zu konservativ, sprich zu niedrig, angesetzt waren und dass der jüngste Rückgang sogar noch schneller war als angenommen.» Das System, welches in Washington entwickelt wurde, zeichnet ein monatliches Bild, gemessen über 34 Jahre, über das Gesamtvolumen des arktischen Meereises. Das PIOMAS (Pan-Arctic Ice Ocean Modeling and Assimilation System) vereint Wetteraufzeichnungen, Meeresoberflächentemperaturen und Satellitenaufnahmen des Eisbedeckung um so das Eisvolumen zu berechnen. Danach überprüft das Modell die Resultate mit aktuellsten Dickemessungen von einzelnen Stellen und von U-Booten, die unter dem Eis kreuzen. «Weil das Eis so unterschiedlich ist, erhält man kein klares Bild von den einzelnen Messpunkten», meint Schweiger weiter. «Also ist dieses Modell der einzige Weg, eine Zeitlinie zu erstellen, die sich über mehrere Dekaden spannt.»
Das Washingtoner Modell vergleicht auch seine Resultate mit den genauesten Eisdickemessungen der letzten fünf Jahre, die von einem speziellen NASA-Satelliten erstellt werden, der seit 2003 im Orbit schwebt. Der ICES-Satellit (Ice, Cloud and Land Elevation Satellite) mass die Eisdicke in der Arktis bis im Frühling 2008 bis auf 37 Zentimeter genau. Der britische Satellit CryoSat-2 setzte die Messungen der Eisdicke ab 2010 fort und die vorliegende Studie ist die erste wissenschaftliche Arbeit, die über den neuesten Verlust der arktischen Meereisdecke berichtet.
Zwischen 2008 und heute hatten die an vielen Orten veröffentlichten Zahlen der Universität Washington eine kontroverse Debatte über den massiven Verlust des Eises ausgelöst. «Die neue Darlegung beruht auf ein Modell und so haben einige Leute mit recht diese Ergebnisse angezweifelt», sagt Schweiger. «Diese Daten bestätigen im Wesentlichen dass in den letzten Jahren, in denen wir nicht wirklich Daten hatten, die Beobachtungen ziemlich genau mit den Vorhersagen des Modells übereinstimmen. Damit werden wir in unserem Vertrauen über die Zeitspanne von 1979 bis heute bestärkt.» Das arktische Meereis werde kleiner und gleichzeitig auch dünner, erklärt Schweiger, und so sei es normal, dass das Volumen des Sommereises schneller abnehme als die Fläche, die es bedeckt und das etwa noch die Hälfte dessen ist, was es 1980 war. Schweiger warnt aber, dass vergangenen Entwicklungen sich nicht mit derselben Geschwindigkeit weiter abspielen und es sei schwierig vorherzusagen, wann die Arktis grösstenteils eisfrei sein würde. Aber einen verlässlichen Datensatz aus der Vergangenheit zu erstellen helfe, die Veränderungen in der Arktis zu verstehen und am Ende auch die Zukunft vorherzusagen. «Eine Frage, die wir uns stellen müssen und sollen, ist, welche Prozesse diese Veränderungen im Eis vorantreiben? Inwieweit sind es ozeanische Prozesse und inwieweit ist die Atmosphäre mit drin?» meint Schweiger. «Ich glaube nicht, das wir da zurzeit durchblicken.»
Quelle: www.sciencedaily.com