Arktisches Meereis wächst schneller im Winter und schmilzt schneller im Sommer
Das arktische Meereis ist aufgrund des Klimawandels auf dem Rückzug. Jedes Jahr ist die Ausdehnung am Ende des Sommers kleiner als im 30-Jahres-Durchschnitt. Die neuesten Forschungsergebnisse der NASA zeigen nun, dass die Geschwindigkeit des Meereiswachstums im Winter höher ist, als bisher angenommen. Dadurch ist auch die Rate, mit der das Meereis im Sommer abnimmt, langsamer. Doch Grund für Entwarnung, dass die Auswirkungen des Klimawandels nicht so schlimm werden würden, gibt es trotzdem nicht
Das arktische Meereis nimmt seit Jahrzehnten immer weiter ab. Die NASA hat errechnet, dass seit 1958, d.h. seit Aufzeichnungsbeginn, das Meereis rund zwei Drittel seiner Dicke verloren hat, in den vergangenen 30 Jahren rund die Hälfte seiner Fläche und heutzutage etwa 70 Prozent der Eisdecke aus saisonalem einjährigem Eis besteht. Doch gleichzeitig zeigt nun eine neue Studie, dass das Meereis im Winter schneller dicker wird und sich dieser Trend noch einige Jahrzehnte hinziehen könnte. Doch das bedeutet nicht, dass sich das Meereis erholen wird. Lediglich das Tempo seines Verlustes wird reduziert. «Die Menge an Meereiswachstum übersteigt nicht die Abschmelzmengen, die wir in den vergangenen Jahrzehnten beobachtet hatten», erklärt Alek Petty, Meereisforscher am NASA Goddard Space Flight Center in Greenbelt, Maryland und Hauptautor der Studie. «Insgesamt nimmt die Eisdicke ab. Das arktische Meereis nimmt in allen Jahreszeiten ab und die Vorhersagen zeichnen dieses Bild auch für kommenden Jahrzehnte.»
Das Team um Alek Petty nutzte Modelle und Satellitenaufnahmen des CryoSat-2-Satelliten, um ihre eigenen Berechnungen zu verifizieren. «Die globalen Klimamodelle scheinen gut zu funktionieren, um den Zustand des arktischen Meereises darzustellen. Sie zeigen, dass die meisten Dickenveränderungen in der zentralen Arktis aus thermodynamischen Prozessen stammen. Das bedeutet vor allem Schmelz und Eisbildungsprozesse. Doch an den Rändern scheint eher der Eistransport eine wichtigere Rolle zu spielen», meint Petty weiter. Die Modelle zeigen, dass, während früher das Eis doppelt so dick war zu Beginn des Winters und die Zunahme rund 50 Prozent betrug, heutzutage das Eis im Verlauf des Winters rund 80 Prozent zunimmt in einigen Bereichen der Arktis. «Unsere Resultate zeigen eine gewisse Widerstandsfähigkeit der arktischen Meereisdecke», sagt Petty. «Hätten wir nicht diese negative Rückkopplung, würde das Eis noch schneller verschwinden als es zurzeit der Fall ist. Leider scheint die positive Rückkopplungsschleife der Sommereisschmelze und die erhöhte Sonnenabsorption, die mit der Sommereisschmelze verbunden ist, immer noch dominant zu sein und den allgemeinen Rückgang des Meereises weiter zu forcieren.»
Doch die stärkere Meereisverdickung hat noch andere Auswirkungen. Denn durch das Gefrieren wird das darunterliegende Wasser salziger und erhöht die Durchmischung in den oberen Schichten. Und je höher die Meereisbildung, desto stärker ist diese Durchmischung. Dadurch könnte die Verdünnung des Arktischen Ozeans, die wir in den vergangenen Jahrzehnten durch das Abschmelzen des Eises im Sommer erlebt haben, etwas ausgeglichen werden. «Das wird das saisonale Gleichgewicht und die Salzgehaltsverteilung im oberen Bereich des Arktischen Ozeans verändern; es ändert sich, wenn wir Süsswasser haben, wenn wir Salzwasser haben, und wie tief und saisonal diese Mischschicht des Ozeans ist», meint Petty. «Und das alles wird bedeuten, dass die lokalen Mikroorganismen und Ökosysteme sich anpassen müssen unter den sich rasch entwickelnden Bedingungen.» Gemäss den Vorhersagen von Petty und seinem Team werden bis zur Mitte des Jahrhunderts die positiven Mechanismen, die den Verlust des Meereises verlangsamen, durch steigende Meeres- und Lufttemperaturen überwogen werden. Der Grenzwert wird gemäss Modell bei entweder bei ca. 50 cm Eisdicke zu Beginn des Winters oder weniger als 50 Prozent Bedeckungsgrad liegen. «Die negative Rückkopplung durch das verstärkte Eisdickenwachstum wird kaum ausreichen, eine eisfreie Arktis in diesem Jahrhundert zu verhindern», meint Petty abschliessend.
Quelle: Maria-José Viñas, NASA