Meereisalge wächst in der Dunkelheit
Forscher waren Zeugen eines neuen Weltrekords: Eisalgen leben und wachsen auf der Unterseite des arktischen Meereises in fast völliger Dunkelheit, denn unter dem Eis kommen nur 0,02 Prozent des Lichts von der Oberfläche an. Algen sind ein wichtiger Grundbaustein des arktischen Nahrungsnetzes und neuen Forschungsergebnissen zu folge produzieren Biomasse viel früher im Jahr als bisher angenommen.
Im Winter ist es in der Arktis stockdunkel. Und selbst wenn die Frühlingssonne am Himmel erscheint, lässt die kompakte Eis- und Schneeschicht nur wenig Licht ins Wasser unter dem Eis vordringen. Aber an der Unterseite des Meereises haben sich mikroskopisch kleine Algen an die extremen Bedingungen angepasst, die hier herrschen. Kieselalgen leben unter dem Eis und in kleinen Kanälen im Eis - den sogenannten Solekanälen, wo hochkonzentrierte Salzlösung aus dem Eis ins Meer fließt.
In dieser extremen Umgebung, wo die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt liegen, der Salzgehalt weit höher ist als im Meerwasser, und wo die Lichtdurchdringung für einen großen Teil des Jahres extrem niedrig ist, werden die Eisalgen gefunden. Da aber alle Algen Licht zum Leben brauchen war es ist lange ein Rätsel, warum die Algen in einem Lebensraum gefunden werden, der fast während des ganzen Jahres lichtlos ist.
Forscher der Aarhus-Universität begaben sich zur Villum-Forschungsstation im Nordosten Grönlands, um die Lebensbedingungen der Algen zu untersuchen. Die Ergebnisse der Studie wurden vor Kurzem in der Fachzeitschrift Journal of Geophysical Research veröffentlicht. «Wir haben im April und Mai auf dem Meereis gearbeitet, als auf dem ein Meter dickem Meereis ein weiterer Meter Schnee lag. Mit speziellen Bohrern haben wir Löcher in das Eis gebohrt, um die Eisalgen an der Unterseite des Eises zu vermessen und Proben zu sammeln», erklärt Lars Chresten Lund-Hansen vom Arktischen Forschungszentrum der Universität Aarhus, der die Studien leitete.
Da die Primärproduzenten die Basis des Nahrungsnetzes in der Arktis bilden, sind Eisalgen für das empfindliche arktische marine Ökosystem ganz entscheidend. Besonders im frühen Frühjahr, wo Planktonalgen im Meer noch nicht aktiv sind. «Unsere Messungen zeigten, dass die Eisalgen mit einer Lichtintensität von unter 0,17 μmol Photonen pro Quadratmeter und Sekunde zu wachsen begannen. Dies entspricht weniger als 0,02% der Lichtmenge, die an einem sonnigen Tag die Oberfläche des Schnees erreicht», sagt Kasper Hancke, der derzeit am norwegischen Institut für Wasserforschung (NIVA) in Oslo arbeitet und für die Feldarbeit verantwortlich war. Dies ist die niedrigste Lichtintensität bisher, bei der aktive Photosynthese und Wachstum von Eisalgen beobachtet wurde.
Die allgemeine Ansicht ist, dass Eisalgen nicht genügend Licht zum Wachsen erhalten, wenn sie von einer mehr als 30-50 cm dicken Schicht aus Schnee und Eis bedeckt sind. Die neuen Messungen verändern diese Sichtweise jedoch völlig und zeigen, dass Eisalgen in der Arktis im Frühjahr wesentlich früher eine wichtige Rolle spielen können als bisher angenommen. Im Mai änderte sich die Mächtigkeit des Schnees auf dem Meereis nicht wesentlich und zeigte nur eine Abnahme von 110 auf 91 cm. Als der Schnee jedoch wärmer wurde, änderten sich seine optischen Eigenschaften, so dass mehr Licht die Unterseite des Meereises erreichte, was das Wachstum der Eisalgen förderte. «Die Temperaturen steigen in der Arktis. Wenn der Schnee auf dem Eis wärmer wird, erhalten die Algen auf der Eisunterseite mehr Licht. Dies kann das Wachstum der Algen und das Ausmaß der ‘Frühlingsblüte’ erheblich beeinflussen. Dieses neue Wissen muss berücksichtigt werden, wenn wir abschätzen wollen wie die Arktis auf eine wärmere Welt reagieren wird», sagt Lars Chresten Lund-Hansen.
Quelle: Science Daily, Aarhus University. "Sea ice algae blooms in the dark."