Arktische Infrastruktur durch schmelzenden Permafrost gefährdet
Gedenken Sie, in den nächsten 30 Jahren ein Häuschen im hohen Norden zu erwerben, sollten Sie nochmals genau darüber nachdenken. Denn Wissenschaftler der Universität von Alaska in Fairbanks haben errechnet, dass über siebzig Prozent der arktischen Infrastruktur bis in 30 Jahren durch den abtauenden Permafrostboden von Zerstörung gefährdet ist.
Sämtliche Infrastruktur der Arktis beruht auf einem einzigen Fixpunkt: dem Permafrostboden. Da in den Sommermonaten die obersten Bereiche des Bodes auftauen, mussten Fundamente tiefer in den Boden bis auf das ewige Eis getrieben werden. Jahrhunderte lang bot dieses Eis einen stabilen Untergrund. Doch durch den Klimawandel werden nun die Böden länger und tiefer abgetaut, mit den entsprechenden Konsequenzen für die Infrastruktur. Rund siebzig Prozent der bestehenden Infrastruktur in der Arktis hat das Potential durch den abtauenden Permafrost innerhalb der nächsten 30 Jahre beschädigt oder gar zerstört zu werden. Sogar wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens eingehalten werden würden, wäre keine Besserung in Sicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die letzten Monat in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen ist. „Es braucht einiges mehr, um Gebiete wie Alaska und seine Bewohner für die negativen Konsequenzen der kommenden Veränderungen des Permafrostes und des Klimas vorzubereiten“, erklärt Vladimir Romanovsky von der Universität Alaska Fairbanks, der seit 25 Jahren den Permafrost von Alaska beobachtet. Wenn Permafrost auftaut, verwandelt sich der Boden in Schlamm und häufig bricht er sogar ein, was zu einem Zusammenbruch darüberstehender Strukturen führt. „Diese Beobachtungen zeigen, dass die globale Erwärmung kein Witz, sondern sehr real ist“, fügt Romanovsky an. „Und hier in Alaska haben wir dieses Problem bereits und werden in der Zukunft mehr davon erleben.“
Der Wissenschaftler Romanovsky gehört zur internationalen Autorengruppe der Studie. Diese zeigt zum ersten Mal explizit das Ausmass der Infrastruktur auf der nördlichen Hemisphäre, die vom Risiko der Beschädigung durch den verschwindenden Permafrost betroffen sind. Die Studie kommt zum Schluss, dass bis 2050 rund dreiviertel der Bevölkerung, die auf Permafrostboden lebt (ca. 3.6 Mio. Menschen) von Beschädigungen und Zerstörungen durch auftauenden Permafrostboden betroffen sein werden. Doch das ist nicht alles: In Alaska beispielsweise werden rund 547 Kilometer der Trans-Alaska-Ölpipeline über Boden geführt, der durch das Auftauen gefährdet ist. „Die Ergebnisse zeigen, dass die fundamentalsten arktischen Infrastrukturen gefährdet sind, sogar wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden würden“, schreiben die Autoren. Aber nach 2050 würde es einen klaren Unterschied bei den möglichen Schäden geben, wenn die Ziele eingehalten würden. Die Autoren untersuchten Messungen der Bodentemperaturen, jährliche Auftautiefen und andere Daten, um ihre Vorhersagen zu treffen. Sie schreiben, dass aufgrund von Unsicherheiten die Mengen der bedrohten Infrastrukturen nicht viel kleiner sein werden als ihre Vorhersagen, sondern sogar noch grösser. Schäden an industriellen Strukturen wie beispielsweise Pipelines könnten zu grossen Umweltschäden führen, wenn es zu Verschmutzungen kommen würde. Energieversorgung, die nationale Sicherheit und die generelle wirtschaftliche Aktivität der betroffenen Regionen würden dadurch auch betroffen, schreiben die Forscher weiter. Zum Beispiel ist die Yamal-Nenets Region in Nordwestsibirien die Quelle für mehr als einen Drittel der Erdgasimporte in die EU. Viele Teile der Infrastruktur in der Arktis sind nicht besonders langlebig. Daher müssen die Planer und Ingenieure genau wissen, wo der Permafrostboden in der Zukunft besonders gefährdet sein wird, damit entsprechend für Ersatz, Zusatz oder Unterhalt gesorgt werden kann. Dafür hat die Studie ihre Karte bis auf einen 1 Quadratkilometer genau aufgelöst, um die Zielgebiete, in denen besonderes Augenmerk gefordert ist, zu identifizieren.
Quelle: Sue Mitchell, University of Alaska Faibanks, Newsabteilung