War Paery der erste Mensch am Nordpol?
Am 6. April 1909 schrieb der amerikanische Marine-Ingenieur Robert Edwin Peary Geschichte. An diesem Tag erreichte er als erster Mensch den Nordpol. Wissenschaftlich bleiben jedoch Zweifel.
Der am 6. Mai 1856 im US-Staat geborene Robert Edwin Peary stammte aus einer Holzhändlerfamilie, arbeitete als Ingenieur und Landvermesser. 1886 unternahm der Ingenieur die erste von sieben Expeditionen und erforschte Grönland. Als erster durchquerte er über eine Strecke von ungefähr 800 Kilometern die Nordostküste, drei Jahre später nahm er das nördliche Küstengebiet in Angriff, «Peary Land» wurde es später nach ihm benannt. 1900 schaffte er es wieder ein Stück weiter, bis an den nördlichsten Punkt, und erbrachte dabei den Beweis, dass Grönland eine Insel ist. Auf einer Expedition 1905/1906 verlor er beinahe sein Leben und acht Zehen durch Erfrierungen.
Endlich am Pol
Mein Traum und Ziel seit 23 Jahren. Das schreibt Peary am 6. April 1909 in sein Tagebuch. Aber war er wirklich der erste Mensch am Nordpol? Zweifel bestehen von Anfang an. Kritiker haben viele Anhaltspunkte: die atemberaubende Marschleistung der Expeditionsteilnehmer, unpräzise Ortsbestimmungen, der Verzicht auf den Navigator Bartlett, der Pearys Ortungen mit dem Sextanten hätte bestätigen können. Allerdings stellt die Navigatoren-Vereinigung Amerikas 1989 fest, dass «nach Analyse des Sonnenstandes auf Pearys Fotos der Pol erreicht wurde» Aber im Laufe der Zeit wuchsen dann auch die Zweifel an seinem tatsächlichen Erfolg. Sie zweifelten sich vor allem darum, dass der Amerikaner die letzten 250 Kilometer in einem Tempo zurückgelegt haben will, das schier als unmöglich gilt. Experten kamen ausserdem zu dem Schluss, dass Peary bei seinen Berechnungen Faktoren wie die Eisdrift und die damals herrschenden östlichen Winde nicht berücksichtigte. Zudem ging sein Chronometer nicht richtig - alles Hinweise darauf, dass Peary vermutlich sein Ziel verfehlte. Manchen Vermutungen sprechen gar um bis zu 150 Kilometer.
Schwierige Expedition
Pearys Aufzeichnungen der Expedition haben nichts von ihrer Dramatik verloren. Schneestürme, aufgetürmtes Eis, arktische Kälte und offene Wasserflächen konnten Peary nach fünf erfolglosen Arktis-Expeditionen nicht aufhalten.
Sein letzter Versuch, den nördlichsten Punkt der Erde zu erreichen, beginnt am 17. Juli 1908, als sein Schiff «Roosevelt» New York verlässt. In Kap Sheridan auf Ellesmere schlägt er sein Basislager auf. Hier überwintern die Expeditionsteilnehmer. Entlang der Route legen Helfer Versorgungslager an, das letzte 246 Kilometer vor dem Pol.
Bereits auf der «Roosevelt» hatten Inuit Hosen aus Eisbären- und Stiefel aus Seehundfell angefertigt und Schlitten aus Walnussholz. 200 Huskys warten auf ihren Einsatz. Im Februar 1909 fährt Peary mit Schlitten 160 Kilometer nach Kap Columbia, dem nördlichsten Punkt des amerikanischen Kontinents, 769 Kilometer vom Nordpol entfernt. Am 1. März startet er mit 23 Männern, 19 Schlitten und 133 Hunden seinen mörderischen Marsch. In Teams nähern sich die Männer zeitlich versetzt dem letzten Depot.
Überall lauern Gefahren. Barrieren von Eis, fünf bis 15 Meter hoch. Schlitten werden abgepackt, Hunde und Vorräte über das Hindernis geschleppt. Dennoch kommt die Mannschaft gut voran. Sie übernachtet in eilig zusammengebauten Iglus. Am 1. April erreicht Peary das letzte Hilfslager bei 87 Grad und 47 Minuten nördlicher Breite. Am nächsten Tag geht er mit fünf Begleitern, fünf Schlitten und 38 Hunden die letzte Etappe an. Mit dabei sein Weggefährte Matthew Henson und die vier Inuit Utah, Uqueah, Siglu und Egingwah. Die besten Hunde werden für die letzten 246 Kilometer ausgewählt. Seinen Kapitän Robert Bartlett, der neben Peary als Einziger über Erfahrungen im Navigieren verfügt, lässt er zurück. Dann am Ziel: «Obgleich nun der Pol in Sicht war, so war ich doch zu müde, die letzten paar Schritte zu machen. Ich war zu erschöpft, um im Augenblick zu begreifen, dass das Ziel meines Lebens erreicht war», schreibt Peary 1910 im Buch «The North Pole». Er setzt die US-Flagge und sagt Henson, er solle die Inuit veranlassen, dreimal «Hoch» zu rufen. «Dann legte ich in eine Spalte eine Glasflasche mit folgender Urkunde: 90 Grad nördlicher Breite, Nordpol, der 6.April 1909. Kam hier heute an, 28 Tagesmärsche von Kap Columbia entfernt».
Jetzt muss das Team schleunigst zurück. Durch die Eisschmelze besteht höchste Gefahr. Einer kehrt nicht zurück. 70 Kilometer vor dem Festland wird Marvin Ross, ein Vertrauter Pearys, nach einem Streit von einem Inuit erschossen. Zunächst als Unfall dargestellt, kommt die Wahrheit erst Jahre später heraus.
Von dem Triumph kann Peary den US-Präsidenten William Taft erst Monate später unterrichten - auf der Rückreise von Labrador am 6. September 1909 per Funkspruch. Vier Tage zuvor hat sein früherer Expeditionsarzt Frederick Cook in einem Telegramm aus Kopenhagen behauptet, ein Jahr zuvor, am 21. April, den Nordpol erreicht zu haben. Der Beginn eines endlosen Streits um die Erstentdeckung.
Peary starb am 20. Februar 1920 in Washington. Die Debatte über seine Errungenschaft ging weiter.