Zeichen der Klimaerwärmung: Frachtschiff durchfährt die Nordostpassage im arktischen Winter
Eigentlich ist der arktische Seeweg entlang der sibirischen Küste von November bis Juli zugefroren. Frachtschiffe zwischen Asien und Europa fahren dann auf der südlichen Route via den Suezkanal, was etwa zehn Tage länger dauert. Um Zeit und Geld zu sparen haben deshalb vor allem Russland und China den Frachttransport durch die Nordostpassage in den Sommermonaten intensiviert. Sie haben auch die Eisverhältnisse in der schmelzenden Arktis genau beobachtet, um von den zunehmend offenen Schifffahrtswegen zu profitieren. Erstmals hat nun ein Frachtschiff den östlichen Teil der Nordostpassage im tiefsten arktischen Winter befahren.
Der Gastanker Christophe de Margerie der russischen Staats-Reederei Sovkomflot begann seine Fahrt am 5. Januar 2021 im Hafen von Sabetta auf der Jamal-Halbinsel. Der Frachter navigierte die ganze Strecke ohne Unterstützung von Eisbrechern und erreichte nach 11 Tagen den chinesischen Hafen Jiangsu. Möglich wurde die Fahrt, weil das Schiff nur relativ dünnes einjähriges Eis brechen musste. Auf der Rückfahrt nach Sabetta wurde die Christophe de Margerie teilweise vom Atomeisbrecher 50 Years of Victory begleitet. Sie traf am 19. Februar zurück in Sabetta ein. Die Reederei liess nach dieser erfolgreichen Pilotfahrt verlauten, dass in Zukunft die Nordostpassage ganzjährig befahren werden kann.
Im Jahr 2020 wurden fast 33 Millionen Tonnen Fracht entlang der Nordseeroute transportiert. Bis 2024 soll die Frachtmenge gemäss Plänen von Präsident Wladimir Putin auf 80 Millionen Tonnen mehr als verdoppelt werden. Die eisarme Arktis im Winter soll dies ermöglichen. Besonderes Interesse gilt dabei auch dem Transport von Flüssigerdgas von Russland nach China. Von 2023 bis 2025 sollen 18 neue, eisbrechende LNG-Tanker den Betrieb auf dieser Route aufnehmen. „Die Arbeit in dieser Region erfordert erhebliche zusätzliche Kompetenzen von Schiffsbesatzungen. In naher Zukunft erwarten wir einen deutlichen Anstieg der Nachfrage nach entsprechend kompetenten Besatzungsmitgliedern“, sagt der Präsident und CEO von Sovkomflot Igor Tonkovidov. Er schätzt, dass über tausend neue Arbeitsplätze für Russische Seeleute geschaffen werden können.
Wissenschaftler warnen hingegen von einer Intensivierung der Schifffahrt auf der Nordostpassage. Die Frachter stossen neben Kohlendioxid auch schwarzen Russ aus, der sich auch auf Eis- und Schnee absetzt. Das verdunkelt die Oberfläche, wodurch Sonnenwärme absorbiert anstatt reflektiert wird, was den Klimawandel zusätzlich verstärkt.
Ph.D. Mike MacFerrin, Glaziologe an der University of Colorado, twitterte: "Das erste Tankerunglück dort wird katastrophal sein. Es gibt KEINE Infrastruktur oder sogar einen Plan, wie ein Ölteppich im Meereis eingedämmt und entfernt werden könnte. Die Frage ist nicht „ob“ etwas passiert, sondern „wann“ es passiert.“
The first spill there will be catastrophic. There is NO infrastructure or even a plan for how to clean up a major tanker spill in a sea-ice environment.
— Mike MacFerrin, Glaciologist (@IceSheetMike) February 21, 2021
Russia plans to have 18 ships doing these routes year-round. Each is larger than the Exxon-Valdez.
It’s not “if”, but when.😞 https://t.co/Lnt75hCr6k