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Der grönländische Eisschild jetzt in HD

Geschrieben von Heiner Kubny am . Veröffentlicht in Technik.

Der grönländische Eisschild ist bereit für seine Nahaufnahme. Die am höchsten je aufgenommenen Satellitenbilder der Region haben ihren Auftritt. Und während jeder individuelle Pixel nur eine Momentaufnahme in der Zeit darstellt, zeigen die Bilder zusammengenommen die Eiskappe als eine Art lebenden Körper: fliessend, zerbrechend und abschmelzend ins Meer.

Die grösste nördliche Eiskappe ist an ihrer dicksten Stelle etwa 2.5 km dick. Schmilzt die gesamte Eiskappe, würde der Meeresspiegel global um mehr als 6 Meter ansteigen.
Die grösste nördliche Eiskappe ist an ihrer dicksten Stelle etwa 2.5 km dick. Schmilzt die gesamte Eiskappe, würde der Meeresspiegel global um mehr als 6 Meter ansteigen.

Die Ohio State Universität hat sich mit dem Polar Geospatial Center der Universität von Minnesota zusammengetan, um die Bilder von DigitalGlobes Satelliten Worldview-1 und Worldview-2 in öffentlich verfügbare Höhenkarten umzuwandeln, die danach von Forschern genutzt werden kann, das Eis zu verfolgen. Ian Howat, Assistenzprofessor am erdwissenschaftlichen Institut der Ohio State, präsentierte die ersten Resultate des Projekts an einer Poster Session der amerikanischen Geophysikalischen Gesellschaft im Dezember 2014. Er nannte den Zugang der Forscher zu den Bildern von DigitalGlobe «eine der grössten Durchbrüche für die Satellitenfähigkeiten für Erdwissenschaften seit Jahrzehnten», und fügte an, dass «es nur ein paar Jahre her ist, seit wir überhaupt Zugang zu hochaufgelösten Bilder von den Regierungsorganisationen erhalten haben. Und schon jetzt erkennen wir immer neue Dinge über den Eispanzer.» Die Bilderwelt beginnt mit einer Auflösung von 0.5 Meter. Die Forscher verändern sie dann in digitale Höhenkarten mit einer Auflösung von 2 Metern. Mit hunderten von Terabyte von bereits gesammelten polaren Daten und zusätzlichen Oberflächengebieten von der 4-fachen Grösse der Schweiz, die jeden Tag neu dazukommen, verarbeiten die Forscher ununterbrochen mit der neuen, an der Ohio State entwickelten Software SETSM.

Der Detailgrad der Bilder ist bemerkenswert und zeigt auch die kleinsten Erhebungen wie beispielsweise auf diesem Bild von Kangerlussuaq. Man erkennt deutlich die Strassen, die Gebäude und die Flugzeugpiste. ©Polar Geospatial Center
Der Detailgrad der Bilder ist bemerkenswert und zeigt auch die kleinsten Erhebungen wie beispielsweise auf diesem Bild von Kangerlussuaq. Man erkennt deutlich die Strassen, die Gebäude und die Flugzeugpiste. ©Polar Geospatial Center

Forschungsassistent Myoung-Jong Noh entwickelte die Software, die 1 Gigabyte grosse Kacheln aufbaut, die 7 Kilometer breite Regionen darstellen und setzt sie dann zu Mosaiken zusammen, die Land, Meer und Eiserhebungen darstellen. Jede Kachel wird aus einem Paar Bilder derselben Region erstellt, die mit einem Abstand von 45 Sekunden geschossen wurden. SETSM kombiniert die beiden versetzten Bilder in ein kohärentes Ganzes, wie unser Gehirn es macht, wenn es die Bilder von je einem Auge kombiniert. SETSM nutzt die Sensitivität der Worldview-Satelliten für eine grosse Bandbreite des elektromagnetischen Spektrums um Dinge zu zeigen, die unsere Augen allein nicht sehen würden, wie beispielsweise kleinste Veränderungen der Erhebungen. Als Beispiel zeigt Howat auf den Bereich des Mosaiks, auf dem der Jakobshavn Gletscher liegt, der am schnellsten fliessende Gletscher. Auf dem Bild erkennt man Eisberge, die am Rande des Gletschers abgebrochen waren und jetzt aufs Meer hinaustreiben. Aber erkennt auch Risse und Spalten hunderte Kilometer weit im Inland von Jakobshavn, wo man sonst nur eine glatte Ebene aus Eis sehen würde. Die gewundenen, parallelen Risse, die wie die Musterung eines Fingerabdrucks aussehen, sind Anzeichen dafür, dass das Eis schneller fliesst, erklärt Howat weiter. Wenn das Eis schneller fliesst und das Meer erreicht, wird die Oberfläche gedehnt und reisst auf. Im Verlauf der Zeit weiten sich die Risse.

Zwei der untersuchten Gletscher Sermeq Silardeq (links mitte) und Kangigdleq (rechts mitte) zeigen klare Fliessrisse in ihrer Oberfläche auch noch weit hinter der Zunge. Dort sind auf normalen Bildern nur helle Flächen zu sehen. © Polar Geospatial Center
Zwei der untersuchten Gletscher Sermeq Silardeq (links mitte) und Kangigdleq (rechts mitte) zeigen klare Fliessrisse in ihrer Oberfläche auch noch weit hinter der Zunge. Dort sind auf normalen Bildern nur helle Flächen zu sehen. © Polar Geospatial Center

Jeder Forschungsbereich, der auf der Messung von Änderungen der Erdoberfläche beruht, auch Vulkanismus und Küstenerosion, würde von den Höhendaten der SETSM-Software profitieren, meint Howat. Anwendungsbereiche der SETSM ausserhalb der Erdwissenschaften wären beispielsweise Computer Vision, Astronomie und Nationale Sicherheit, also jedes Fachgebiet, bei dem sehr grosse Oberflächen mit hoher Auflösung kartographiert werden müssten. Die Mosaikmuster, die Howat präsentierte, zeigen Südwestgrönland und den nördlichen Teil von Alaska. Bis jetzt hat das Team von der Ohio State Bilder von knapp einem Viertel des grönländischen Eisschilds verarbeitet, was nur ein kleiner Prozentsatz der Daten ist, die schon jetzt in Minnesota gelagert werden und etwa einem Jahr Arbeit und Verarbeitung für das Forschungsteam entspricht.

Die Grönlandstudie Asiaq nutzt bereits die SETSM-Software zum Schutz von Trinkwasserressourcen, wozu die Fernerkundungsspezialistin Eva Mätzler sagt: «Es stärkt das Verständnis über die Wichtigkeit von verlässlichen geographischen Daten für die Regierung und das Volk von Grönland.» Der Projektleiter von Asiaq, Bo Naamansen, fügt hinzu, dass die Software «das Beste seit Jahrzehnten im Bereich Kartographierung von Grönland und der Arktis ist». Paul Moring, der Direktor des Polar Geospatial Center, ist voll des Lobs und meint, die Arbeit mit SETSM sei revolutionär. Er schwärmt weiter: «Wir sind nicht mehr eingeschränkt auf Fernerkundungsdaten, wenn wir Erhöhungsdaten an den Polen erstellen wollen. Noh und Howat haben gezeigt, dass wir nur noch durch Hochleistungscomputer eingeschränkt werden.» Um diese Limitierung zu überwinden, hoffen die Forscher, ihr Projekt ab 2015 auf den Pleiades Supercomputer der NASA ausweiten zu können. Bisher werden die Daten im Ohio Supercomputer Center (OSC) der Ohio State verarbeitet und gelagert und via Minnesota auf öffentlichen Webseiten zugänglich gemacht.

Quelle: Pamela Frost Gorder, www.osu.edu