Neue Satelliten beobachten auch Gletscherschmelze
Um grossräumige Effekte beobachten zu können, besonders in den abgelegenen Polarregionen, sind Satelliten unerlässlich. Durch das Ende von zwei Satelliten der GRACE –Mission letzten Jahres entstand so eine Datenlücke für das Alfred-Wegener-Institut und seine Forschung über die Gletscherschmelze in Grönland und der Antarktis, die jetzt glücklicherweise wieder geschlossen wurde. Vor einer Woche starteten zwei brandneue Satelliten ihre Mission.
Der Anstieg des Meeresspiegels wird durch das Abschmelzen der grossen Eisschilde verursacht. Um die Massenverluste dieser großen Eisschilde besser einschätzen zu können, werten Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), permanent Erdbeobachtungsdaten von Satelliten aus. Eines der wichtigsten Raumfahrzeug-Duos waren für sie die GRACE-Satelliten, die seit dem Jahr 2002 im Orbit kreisten, 2017 aber im hohen Alter von 15 Jahren außer Dienst gestellt und Anfang dieses Jahres zum Verglühen kontrolliert in die Erdatmosphäre gelenkt wurden. Seitdem fehlte den AWI-Experten und der internationalen Forschergemeinde eine wichtige Informationsquelle zum Zustand der großen Eisschilde. Die Lücke wurde nun durch zwei neue Satelliten wieder geschlossen, die am 22. Mai in den Orbit transportiert worden sind. „Wir sind sehr froh darüber“, sagt der AWI-Geophysiker Ingo Sasgen.„Die erste GRACE-Mission hat uns 15 Jahre lang eine einzigartige und hochinteressante Zeitreihe über die Massenverluste der Eisschilde geliefert. Seit Juni 2017 ist die Zeitreihe unterbrochen und wir haben zum Beispiel keine Daten zur letzten Schmelzsaison in Grönland. Es ist gut, dass die Messungen jetzt weitergehen.“
GRACE ist die Abkürzung für „Gravity Recovery And Climate Experiment“, was man frei mit „Schwerefeld-Messung und Klimaexperiment“ übersetzen kann. Wie der Name andeutet, haben die Satelliten die Aufgabe, das Schwerefeld der Erde einmal pro Monat komplett zu vermessen. Diese Schwerefelddaten werden von verschiedenen Experten zu ganz unterschiedlichen Zwecken genutzt. Sie sind aber eben auch für die AWI-Forscher besonders wichtig, denn die Eismassenveränderung in Grönland und der Antarktis macht sich auch im Schwerefeld der Erde deutlich bemerkbar. Geht mehr Eis durch Schmelzen und Gletscherkalben verloren als durch Schneefall hinzukommt, nimmt das Gewicht der Eisschilde ab und damit die Erdanziehungskraft vor Ort. Die GRACE-Messungen verraten also, ob, wo und wie viel die Eisschilde in der Summe wachsen oder schrumpfen. Die beiden Satelliten fliegen in einem Abstand von etwa 220 Kilometern hintereinander her und überprüfen mit einem Mikrowellenradar permanent ihren Abstand zueinander. Überfliegt der erste Satellit einen Bereich mit erhöhter Schwerkraft, wird er leicht angezogen und dadurch beschleunigt. Der Abstand zum zweiten vergrößert sich. Diese Abweichung verrät, wie stark die Schwerefeldänderung in einem Umkreis von etwa 400 km ist. Dabei ist die Messgenauigkeit des Mikrowellenradars erstaunlich. Er misst den Abstand zwischen den beiden Satelliten auf einige Mikrometer genau.
Die wissenschaftliche Betreuung der aktuellen GRACE-FO Mission liegt wie beim Vorgänger beim Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) und bei der NASA. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt führt im Auftrag des GFZ den Missionsbetrieb durch. Das AWI wiederum bringt seine Eis-Expertise ein und hat sich an den Kosten für die Falcon-9-Trägerrakete von SpaceX mit zwei Millionen Euro beteiligt. Mit dem Start von GRACE-FO schließt sich jetzt nach rund einem Jahr eine Lücke im Feld der Wissenschafts-Satelliten. Wie beim Vorgänger ist die Missionsdauer von GRACE-FO zunächst für fünf Jahre geplant. Ingo Sasgen hofft, dass die zweite Generation genau wie die erste aber vielleicht sogar 15 Jahre durchhält. „Dann hätten wir insgesamt eine Zeitreihe von rund 30 Jahren. Für Klimamodelle wäre das eine wirklich aussagekräftige Zeitspanne. Diese Daten dürften noch in Jahrzehnten für die Klimaforschung von Bedeutung sein.“
Quelle: AWI