Die Suche nach dem ältesten Eis der Erde
In der Antarktis suchen international führende Eis- und Klimawissenschaftler nach dem ältesten Eis der Erde. Ihr Ziel ist es, einen Eiskern zu bohren der 1,5 Millionen Jahre in der Erdgeschichte zurückreicht. Ein solcher Bohrkern erlaubt, durch die Entschlüsselung vergangener Klimaprozesse, eine bessere Vorhersage des zukünftigen Klimas.
Wissenschaftler aus zehn verschiedenen europäischen Ländern suchen derzeit in der Antarktis nach einer Stelle, um einen Eiskern zu bohren, der die kontinuierliche Klimageschichte der letzten 1,5 Millionen Jahre enthält. Der bisher älteste Eiskern reicht 800.000 Jahre zurück. Dieser EPICA genannte Kern wurde 1996-2004 an Dome C in der Ostantarktis gebohrt. Dabei steht EPICA für „European Project for Ice Coring in Antarctica“. Das neue Projekt „Beyond EPICA – Oldest Ice“ (BE-OI) hat es sich zum Ziel gesetzt 1,5 Millionen Jahre altes Eis zu finden, das zukünftig erbohrt werden soll.
Eisbohrkerne stellen ein Klima-Archiv dar, in ihnen ist Luft aus längst vergangenen Zeiten eingeschlossen. Durch deren Analyse lässt sich die ehemalige Zusammensetzung der Atmosphäre entschlüsseln. Auch können Rückschlüsse auf die Temperaturen auf der Erde gezogen werden zu der Zeit als der Schnee fiel. Die Untersuchungen der Eiskerne zeigen, dass Eiszeiten ungefähr alle 100.000 Jahre auftraten. Wenn man weiter in der Erdgeschichte zurückgeht ändert sich dies jedoch. „Wir wissen derzeit nicht, was dazu geführt hat, dass es vor 900.000 bis 1.200.000 Jahren einen Wechsel in der Periodizität von Kalt- und Warmzeiten gegeben hat“, erklärt Projektkoordinator Prof. Dr. Olaf Eisen vom Alfred-Wegener-Institut (AWI). Vor diesem sogenannten mittleren Pleistozän-Übergang wechselten sich Warm- und Kaltzeiten etwa alle 40.000 Jahre ab. Seitdem beträgt diese Periode etwa 100.000 Jahre. Dieses Wissen der Forscher stammt unter anderem aus Sedimentkernen, die jedoch keine Gaseinschlüsse beinhalten. „Wir können die Rolle der Treibhausgase bei diesem Übergang bisher nicht gezielt untersuchen, weil uns schlicht die geeigneten Proben für solche Messungen fehlen“, so der AWI-Glaziologe Prof. Dr. Frank Wilhelms, der als Teilprojektleiter mitwirkt.
Das soll BE-OI nun ändern: Das Projekt beinhaltet geophysikalische Messungen, Schnellbohrverfahren und Altersbestimmungen von Eis vor Ort. Außerdem werden notwendige Bohrtechnologien weiterentwickelt und erprobt. Die ersten praktischen Arbeiten dazu starten bereits in Kürze: In der Antarktis werden Glaziologen des AWI gemeinsam mit ihren europäischen Partnern die Dicke des Eispanzers sowie seine physikalischen Eigenschaften und die Topographie des darunterliegenden Bodens an zwei verschiedenen Orten mit dem Flugzeug und vom Boden aus erkunden. Die Eisdicke ist dabei lediglich ein erster Hinweis auf das Alter, denn unterschiedlicher Schneezutrag und das Fließverhalten beeinflussen, wie dick der Eispanzer heutzutage ist.
In einem Bodenprogramm messen Forscher deshalb parallel in einem Feldkamp den Schneezutrag und setzen neue Technologien zum Abteufen von Bohrlöchern ein, um in diesen die Temperatur zu erfassen. „Aus früheren Studien haben wir Gebiete herausgearbeitet, in denen wir das älteste Eis der Erde vermuten“, sagt Olaf Eisen. Vorstudien für die Standortwahl der Eisbohrung fanden rund um Dome C und Dome Fuji in der Ostantarktis statt. „Jetzt gilt es, möglichst viel über die Ablagerungsprozesse und die Beschaffenheit des Eises zu lernen“, so der Projektkoordinator weiter.
Neben solchen wissenschaftlichen Fragestellungen hat BE-OI auch die Aufgabe, technische und personelle Kapazitäten für ein Bohrprojekt zusammenzustellen, einen Wissenschafts- und Managementplan dafür aufzustellen sowie Budget und Finanzierung zu etablieren. Um einen möglichst großen wissenschaftlichen Erkenntniszuwachs zu generieren, bindet das Projekt außerdem weitere Paläoklimatologen und Modellierer mit ein.
BE-OI ist der europäische Beitrag für die weltweite Suche nach der geeigneten Stelle für eine Eisbohrung und wird von der EU mit 2,2 Millionen Euro finanziert.
Quelle: Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung