Russ im Antarktis-Eis belegt vorindustriellen Einfluss des Menschen auf die Atmosphäre
Ein internationales Team hat nun endgültig ein Rätsel gelöst, das sich bei der Analyse eines Eisbohrkerns von der antarktischen Halbinsel im Jahr 2016 ergeben hatte. Damals stellten Forschende des Desert Research Institute in den USA fest, dass in einem bestimmten Bereich des Kerns die Konzentration von Russ anstieg – ein Bereich, der sich ab dem Jahr 1300 gebildet haben musste. Russ – in der Fachwelt auch als „Black Carbon“ bezeichnet – entsteht, wenn Kohle, Öl, Gas oder Biomasse verbrennt. In detektivischer Arbeit konnte nun das internationale Team belegen: Die Russ-Ablagerungen im Bohrkern sind darauf zurückzuführen, dass die Maori bei der Erstbesiedlung Neuseelands in grossem Massstab Wälder abbrannten.
Über ihre Ergebnisse berichtete das Team jetzt in der renommierten Zeitschrift Nature. „Die Vorstellung, dass Menschen bereits vor 700 Jahren eine deutliche Änderung in den atmosphärischen Russ-Konzentrationen durch Abbrennen der Wälder verursacht haben, ist sehr überraschend”, sagt Joe McConnell vom Desert Research Institute, Hauptautor der Publikation.
Er, der damals für die Messungen im Eisbohrkern verantwortlich war, freut sich wohl nicht nur wegen der neuen Erkenntnisse, sondern auch, weil damit ein möglicher Analysefehler vom Tisch ist. Denn merkwürdig war, dass der Anstieg der Russ-Ablagerungen ab dem Jahr 1300 in anderen Eisbohrkernen aus der Ostantarktis nicht festzustellen war. Genau diese Tatsache ist nun sogar das entscheidende Puzzleteil, das die Herkunft des Black Carbon klärt.
Denn inzwischen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Wien und des Norwegischen Instituts für Luftforschung (NILU) eine Technik der Computermodellierung entwickelt, die es erlaubt, den atmosphärischen Transport von historischen Emissionen bis zur Quelle zurückzuverfolgen. „Rückwärtsrechnungen mit unserem Transportmodell von den Eisbohrkernen zeigten, dass die Russ-Ablagerungen auf der antarktischen Halbinsel bei gleichzeitigem Fehlen solcher Ablagerungen in der Ostantarktis nur mit Russ-Emissionen in Patagonien, Tasmanien und Neuseeland erklärbar sind“, sagt Andreas Stohl. Der Meteorologe von der Universität Wien weiter: „Weiter nördlich gelegene Gegenden in Afrika, Australien oder etwa der Amazonas-Region konnten wir als Quellregion ausschliessen, da diese in der Ostantarktis einen ähnlichen Anstieg der Russ-Deposition verursacht hätten wie auf der antarktischen Halbinsel.“
Mittels Analysen von Ablagerungen in Seen gelang es den Forschenden, die Russ-Quelle weiter einzugrenzen: Nur in Neuseeland zeigte sich ein Anstieg von Holzkohle-Ablagerungen vor 700 Jahren. Somit ist klar: Es ist kein Zufall, dass die Ankunft der Moari in Neuseeland zeitlich mit dem Anstieg der Russ-Konzentrationen auf der antarktischen Halbinsel zusammenfallen. Zwischen Neuseeland und der antarktischen Halbinsel liegen ungefähr 6000 Kilometer.
Die Studie zeigt, dass die häufig geäusserte Annahme falsch ist, der Mensch habe in vorindustriellen Zeiten die Erdatmosphäre nicht verändert. „Selbst die entlegensten Teile der Erde waren in vorindustriellen Zeiten nicht unbedingt unberührt“, sagt McConnell.
Die Studie ist aber auch noch in anderer Hinsicht bedeutsam: Sie verringert die wissenschaftliche Unsicherheit, wann die Maori in Neuseeland eintrafen. Durch die Eiskernmessung kann der Beginn der grossflächigen Verbrennungen in Neuseeland auf 1297 datiert werden, mit einem Unsicherheitsrahmen von lediglich 30 Jahren.
Quellen:
Nature DOI:10.1038/s41586-021-03858-9
Universität Wien