Große Eisbewegungen fördern Methanaustritt am Meeresboden
Wenn sich in der Arktis die Eisdicke an Land im Laufe der letzten 160 000 Jahre stark veränderte, so kam es am Meeresboden entlang des Kontinentalrandes westlich von Spitzbergen verstärkt zur Emission von Methan. Das hat ein Team von Forschern aus Norwegen, Großbritannien, Estland und Deutschland anhand von Bohrkern-Analysen herausgefunden. Offensichtlich aktivieren große Eisbewegungen Verwerfungen in der Erdkruste, so dass es am Meeresboden verstärkt zu Methanleckagen kommt. Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas und 25-mal so klimawirksam wie Kohlendioxid (CO2). Die Wissenschaftler berichten in einer aktuellen Studie in der Zeitschrift „Science Advances“ über ihre Arbeit. „Unsere Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang zwischen sich ändernden kontinentalen Eismengen und Tiefsee-Methanemissionen in der Arktis“, resümiert der Erstautor Dr. Tobias Himmler vom Norwegischen Geologischen Dienst (NGU).
Forschende des NGU und des Zentrums für arktische Gashydrate, Umwelt und Klima (CAGE) an der Arctic University von Tromsø (Norwegen) hatten 2016 während einer Expedition mehrere Kalksteinproben – sogenannte Seep-Karbonate – auf dem Vestnesa-Rücken in 1.200 Metern Wassertiefe genommen. Seep-Karbonate entstehen durch einen mikrobiellen Prozess, bei dem Methan im Meeresboden mit Sulfat reagiert. So geben diese Karbonate einen eindeutigen Hinweis auf Methan, das von unten durch das Sediment aufgestiegen ist. Eine detaillierte Analyse der damaligen Seep-Karbonate-Proben hat gezeigt, dass es wiederholt Methanaustritte in den vergangenen 23.000 Jahren seit der letzten Eiszeit gegeben hat.
Während einer Folgeexpedition haben die norwegischen Wissenschaftler in Kooperation mit Forschenden des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen – an Bord des Schiffs MARIA S. MERIAN mit einem Meeresbodenbohrgerät Seep-Karbonate in tiefen Schichten erbohren können. Anhand von Datierungen der erbohrten Seep-Karbonate mittels der natürlichen radioaktiven Isotope Uran und Thorium konnte das Team zwei weitere Episoden von Methanleckagen nachweisen, und zwar zwischen 160.000 und 133.000 Jahren sowie 50.000 und 40.000 Jahren. In diesen Zeiträumen gab es aktive Methanaustritte am Vestnesa-Rücken, die in den gewonnenen Bohrkernen aufgezeichnet sind. Diese beiden Zeitabschnitte sind durch Kaltzeiten gekennzeichnet, in denen in der Barentssee und auf Spitzbergen das Eisvolumen deutlich zugenommen hatte. Durch die Eisauflast wurde die vom Eis bedeckte Erdkruste eingedrückt. Zum Ausgleich hebt sich außerhalb der Eisbedeckung der Meeresboden in diesem Fall der Vestnesa-Rücken. Das führte zu Bewegungen entlang von bereits existierenden Störungen in der Erdkruste und ermöglicht den Aufstieg von Methan aus größeren Tiefen.
Während der vergangenen 23.000 Jahre ist das Eis abgeschmolzen – und die darunterliegende Landmasse wieder gestiegen. Das wiederum führte durch einen iso-statischen Ausgleich zum Absenken des Vestnesa-Rückens. Die Resultate des Teams deuten nun darauf hin, dass Methan vor allem dann ausgetreten ist, wenn Eisschildbewegungen die Störungszonen aktiviert haben.
„Seep-Karbonate sind geologische Archive für Methanemissionen am Meeresboden. Wir sind sehr froh, dass wir mit dem Meeresbodenbohrgerät MARUM-MeBo diese Archive auf dem Vestnesa-Rücken erstmals erbohren konnten“, berichtet MARUM-Wissenschaftler Gerhard Bohrmann, Fahrtleiter der Expedition. „Methanemissionen sind dabei sowohl während Zeiten der Festlandeiszunahme als auch während der Eisabnahme dokumentiert.“
Quelle: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen