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Duftende Arktis

Geschrieben von Dr. Frank Frick am . Veröffentlicht in Forschung & Umwelt.

Der Duft, der von Pflanzen ausgeht, beruht auf einer Mischung kleiner Moleküle, die leicht verdunsten. Diese Duftstoffe ziehen Insekten an oder – im Gegenteil – vertreiben sie. Zugleich beeinflussen sie erheblich die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Atmosphäre sowie das Klima. Forscher der Universität Kopenhagen haben untersucht, wie sich die Klimaerwärmung und eine dadurch erhöhte Aktivität der Insekten darauf auswirkt, wie viel flüchtige Duftstoffe die Pflanzen in der Arktis freisetzen. Ihre Ergebnisse haben sie in der angesehenen Fachzeitschrift Nature Plants veröffentlicht. Demnach werden sich die pflanzlichen Emissionen unerwartet deutlich erhöhen. Der Grund: Insekten werden durch Fraß das Blattwerk vermehrt schädigen – und die Pflanzen werden auf diesen Stress mit einem verstärkten Ausstoß von flüchtigen Subtanzen reagieren.

Forscher der Universität Kopenhagen nutzen für ihre Untersuchungen in Abisko, Schweden, Mini-Gewächshäuser aus Kunststoff. Credit: Riikka Rinnan
Forscher der Universität Kopenhagen nutzen für ihre Untersuchungen in Abisko, Schweden, Mini-Gewächshäuser aus Kunststoff. Credit: Riikka Rinnan

Die grundsätzlichen Rolle von Duftstoffen erläutert Dr. Tao Li, Hauptautor der Studie so: „Flüchtige Stoffe sind ein wichtiger Teil der pflanzlichen Abwehr: Viele sind giftig für Insekten, die die Pflanzen fressen oder Eier auf sie legen. Pflanzen können aber auch die natürlichen Feinde der angreifenden Insekten anziehen oder ihre Nachbarn vor drohenden Gefahren durch Signale warnen, die über die Luft übertragen werden.“ Doch die gleichen flüchtigen Stoffe verändern auch die Atmosphärenchemie. Denn die Substanzen können in der Luft kleine Partikel bilden, die die Sonneneinstrahlung streuen und so die Sonnenwärme am Boden verringern. „Diese chemischen Verbindungen können sogar Wolken formen. Sie sind auch an der Bildung von bodennahem Ozon beteiligt, ein Luftschadstoff, der Pflanzen, Tiere und die menschliche Gesundheit schädigt“, sagt Li, Marie-Curie-Stipendiat am Institut für Biologie der Universität Kopenhagen.

Biologe Tao Li hat herausgefunden, wie Pflanzen in der Arktis auf Klimaerwärmung und vermehrten Insektenfraß reagieren.  Credit: Jolanta Rieksta
Biologe Tao Li hat herausgefunden, wie Pflanzen in der Arktis auf Klimaerwärmung und vermehrten Insektenfraß reagieren. Credit: Jolanta Rieksta

Die Forschung der Wissenschaftler nahm ihren Anfang 1999 mit Feldexperimenten in der Tundra im schwedischen Lappland. Ziel der Experimente war es, zu erfassen, wie sich das Ökosystem durch die Klimaerwärmung verändert. Dazu errichteten die Wissenschaftler jeden Sommer kleine, oben offene Gewächshäuser aus Kunststoff. 2017 nahm dann Tao Li von einer Forschergruppe, die von der Professorin Riikka Rinnan geleitet wird, die Arbeit auf. Er stellte fest: Die Blattfläche, die von Insekten gefressen wurde, vergrößerte sich bei einer 2-Grad-Erwärmung in den offenen Kunststoff-Gewächshäusern um 300 Prozent. „Um festzustellen, wie sich der Insektenfraß auf die freigesetzten flüchtigen Stoffe auswirkt, nutzte Li ein pflanzliches Hormon, das die Pflanzen glauben lässt, von Insekten attackiert zu werden. Diese Hormonbehandlung führte bei der weitverbreiteten Zwerg-Birke, die beim laufenden Ergrünen der Arktis eine wichtige Rolle spielt, zu einem vierfachen Anstieg der emittierten Stoffe“, erläutert Riikka Rinnan. Zu diesen Stoffen, so die Wissenschaftlerin, gehören Substanzen, die vom Geruch frisch gemähten Grases her bekannt seien, sowie Terpene, auch als ätherische Öle bekannt. „Überraschenderweise führte dieser vierfache Anstieg an Terpenen zu einem enormen, elffachen Anstieg bei simulierter Erwärmung. Das enthüllt eine Synergie zwischen Erwärmung und Insektenfraß, die weitreichende Konsequenzen haben kann“, so die Professorin, die an der Universität Kopenhagen auch Mitglied des Zentrums für Permafrost ist.

Quellen:
Biologisches Institut, Universität Kopenhagen
Nature Plants,
http://dx.doi.org/10.1038/s41477-019-0439-3