Wohin ist das Meereis verschwunden?
In vielen Gebieten lässt der Winter immer noch auf sich warten und Schnee und Eis sind seltene Anblicke. Auch im hohen Norden, haben ungewöhnlich hohe Lufttemperaturen zu einem rekordverdächtigen Meereisminimum im November geführt gemäss den Experten des Nationalen Schnee- und Eisdatenzentrums (NSIDC) der Universität Colorado Boulder. Auf der südlichen Halbkugel hat auch die Meereisausdehnung der Antarktis ein Rekordtief erreicht für den Monat, ausgelöst durch wärmere Temperaturen und eine rasche Verschiebung von zirkumpolaren Winden.
„Es sieht wie ein Dreifach-W aus: Warmer Ozean, warme Atmosphäre und Windmuster gegen das Eis der Arktis“, erklärt der Leiter des NSIDC, Mark Sezerre. Die arktische Meereisausdehnung betrug rund 9.08 Millionen km2 im November. Dies sind 1.95 Mio. Km2 weniger als im langjährigen (1981 – 2010) Trend für den Monat. Obwohl die Bildungsrate des Eises etwas höher als der Durchschnitt war, nahm die Gesamtausdehnung Mitte des Monats für eine Weile wieder ab. Die Abnahme betrug satte 50‘000 km2 und betraf vor allem die Barentssee. Wissenschaftler des NSIDC sagten, dass diese Abnahme beispiellos für den November war. Das letzte Ereignis fand im Jahr 2013 statt und da betrug die Abnahme lediglich 14‘000 km2. Der November 2016 ist der siebte Monat in Folge der ein Rekordtief erreichte in der 38-jährigen Satellitenüberwachungsperiode. Das Ausmass der Abnahme übertraf sogar dasjenige Ausmass im September 2012, als das arktische Meereis seine niedrigste jemals gemessene Ausdehnung aufwies. Doch das arktische Meereis ist gerade erst am Anfang seiner Winterzeit und sollte sich noch weiter ausdehnen bis zum Maximum im nächsten März.
Forscher des NSIDC meinten, dass ungewöhnlich hohe Temperaturen über dem Arktischen Ozean und persistente Winde aus dem Süden zusammen mit einem wärmeren Ozean dieses Rekordtief angetrieben haben. Vom Nordosten Grönlands über Svalbard bis nach Severnaya Zemlya lag die Temperatur auf 800 m Höhe bis zu 10°C über dem 1981-2010 Monats-Durchschnitt. Auch die Wassertemperaturen in der Barents- und der Karasee waren bis zu 4°C über dem Durchschnitt, vor allem in Novaya Zemlya und Svalbard, und verhinderten die Eisbildung. Diese hohen Temperaturen widerspiegelten ein Muster von Südwinden, die das Eis zusätzlich nach Norden trieben und die Ausdehnung verhinderten. NSIDC-Forscherin Julienne Stroeve war in Svalbard im November und verzeichnete das fehlende Meereis. „Typischerweise beginnt die Meereisbildung in den Fjorden Anfang November. Doch dieses Jahr war gar nichts da“, sagt sie.
Auf der Südhalbkugel verschwand das antarktische Meereis rasch zu Beginn des Monats und erzeugte ein neues Rekordtief. Die durchschnittliche Ausdehnung betrug 14.54 Mio. km2, rund 1.8 Mio weniger als im 1981-2010 Durchschnitt und zweimal weniger als im Rekord von 1986. Forscher des NSIDC erklärten dazu, dass höhere Temperaturen und eine rasche Verschiebung von Winden rund um die Antarktis wahrscheinlich diesen schnellen Abbau des antarktischen Meereises verursacht hatten. Lufttemperaturen, die 2 – 4°C höher als normal lagen und frühe, starke Westwinde verteilten das Meereis stärker. Eine rasche Verschiebung auf mehr unterschiedliche Winde, vor allem drei grosse Windgebiete aus dem Norden, haben schnell die niedrigere Meereiskonzentration rund um Wilkes-Land,. Dronning Mauf Land, Enderby Land und die antarktische Halbinsel verursacht. Ausserdem haben sich mehrere Polynyas (offene Wasserflächen mitten im Eis)in der östlichen Weddellsee, der Mundsensee und im Rossmeer geöffnet. „Das antarktische Meereis ist diesmal wirklich im Hasenloch verschwunden“, erklärt NSIDC Chefforscher Ted Scambos. „Ein paar Dinge können wir zu dem anzen sagen. Aber wir müssen tiefergraben.“ Walt Meier von der NASA sagt zum Schluss: „Die Arktis ist typischerweise das interessante Gebiet. Doch in diesem Monat hat die Antarktis uns kalt erwischt und das südliche Eis überrascht uns besonders.“
Quelle: University of Colorado Boulder