Drohnen gegen Müll im Arktischen Ozean eingesetzt
Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts setzen auf der aktuellen Polarstern-Expedition einen Multikopter mit hochauflösender Kamera ein, um an der Meeresoberfläche treibende Müllstücke standardisiert zu erfassen. Die Tiefseeforscher hatten am Meeresgrund der Arktis eine Zunahme von Müll über die letzten zehn Jahre nachgewiesen. Das war der Anlass dafür, jetzt das Programm zur quantitativen Untersuchung des Müll-Eintrages an der Meeresoberfläche zu starten.
Die quantitativen Untersuchungen des Mülls in der Arktis sind der Auftakt für das sogenannte Pollution Observatory (Verschmutzungs-Observatorium), ein Bestandteil der von der Helmholtz-Gemeinschaft geförderten FRAM-Infrastruktur (Frontiers in Arctic marine Monitoring). Die Idee dazu stammt von Dr. Melanie Bergmann, Tiefseeökologin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Sie forscht seit langem zum Thema Müll im Meer und hat bei vergleichenden Studien festgestellt, dass in der arktischen Tiefsee an mancher Stelle ebenso viel Plastikmüll am Meeresgrund liegt, wie nahe der Metropole Lissabon. Insgesamt nimmt die Verschmutzung immer mehr zu: „Stellenweise ist der Müll am Meeresboden im Laufe der letzten zehn Jahre sogar auf das über 20-fache angestiegen“, sagt Melanie Bergmann.
Auch an der Meeresoberfläche entdeckte die AWI-Biologin treibenden Müll, bei der laufenden Reise sogar noch deutlich mehr als in Untersuchungen vom Jahr 2012 mit einem Helikopter. Jedoch sind Beobachtungen von der Schiffsreling aufgrund des Blickwinkels nicht immer optimal. Eine alternative Methode, den Müll zu zählen, sind bemannte Helikopterflüge, die aber einen hohen Aufwand erfordern. Glücklicherweise arbeiten in der HGF-MPG-Brückengruppe für Tiefsee-Technologie und –Ökologie Wissenschaftler und Ingenieure Hand in Hand und stimmen sich eng ab. So planten die den Einsatz von Multikoptern zur Bestimmung von Müll, die zusätzlich auch dann zum Einsatz kommen können, wenn das Schiff stationär andere Arbeiten erledigt und von Bord daher keine neuen Daten erhoben werden könnten. „Bereits während einer Polarstern-Expedition im Jahr 2015 haben wir einen Multikopter in der Arktis eingesetzt, den wir zusammen mit Kollegen der Universität Würzburg entwickelt haben“, erläutert Sascha Lehmenhecker, federführender Ingenieur für diese neue Technologie der Tiefseegruppe des AWI. Der jetzt weiterentwickelte Multikopter wiegt inklusive einer 24 Megapixel Kompaktkamera 4,8 Kilogramm. „Mit diesem Gewicht und einer Größe von 50 mal 50 Zentimetern ist es möglich, 20 Minuten zu fliegen und dabei im Sichtbereich des Piloten eine Strecke von bis zu sechs Kilometern zurückzulegen“, sagt Lehmenhecker.
Ein weiterer wichtiger Schritt des Entwickler-Teams, welches sich in der Helmholtz-Allianz Robotische Exploration unter Extrembedingungen (ROBEX) gefunden hat, war es, trotz magnetischer Missweisung am Nordpol und diverser Störfaktoren vom Schiff Multikopter sicher einzusetzen. „Das war erst möglich, nachdem wir den magnetischen Kompass nicht mehr für die Navigation genutzt haben“, erklärt Lehmenhecker. Die Aufgabe, die Position der eigenen Achse zu bestimmen, übernehmen nun zwei angebrachte GPS-Empfänger, ein schneller Rechner und eine komplexe, eigens programmierte Software. Die neu entwickelte Sensor-Elektronik des Multikopters berechnet ebenfalls, wann und wie oft ein Foto gemacht werden soll. „Der Einsatz solcher Multikopter kann uns dabei helfen, das Ausmaß und die Verteilung des an der Oberfläche treibenden Mülls zu erfassen“ erklärt Melanie Bergmann. Sie nutzt die Bilder der Multikopter-Flüge, die in einer flächendeckenden Karte zusammengefügt werden. Auf diesen hochaufgelösten Karten lassen sich dann an der Meeresoberfläche treibender Müll und andere größere Objekte in genau definierten Gebieten erfassen. „Schon jetzt haben 88 Prozent der Eissturmvögel von Spitzbergen Müll in ihren Mägen. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass der von Ozeanographen des Imperial College London prognostizierte 6. Müllstrudel im Norden zusätzlich zu den bekannten Strudeln in gemäßigten Breiten dabei ist, Wirklichkeit zu werden“, sagt Bergmann. „Unsere neue Technologie ermöglicht es, mit geringem technischem Aufwand, solche Entwicklungen zu verfolgen, um mit den gewonnen Daten eine Aufmerksamkeit für dieses Umwelt-Problem zu erzeugen“, so die Wissenschaftlerin.
Quelle: AWI