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Regenwald in der Antarktis

Geschrieben von Eva Fuchs am . Veröffentlicht in Forschung & Umwelt.

Heute ist die Antarktis der kälteste und lebensfeindlichste Kontinent unserer Erde, ein Ödland aus Eis und Schnee. Doch das war nicht immer so. Vor etwa 90 Millionen Jahren war die Westantarktis die Heimat eines üppigen gemässigten Regenwaldes. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam unter Leitung von Geowissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung des Alfred-Wegener-Institutes.

In einem Sedimentbohrkern fanden sie nahezu ursprünglich erhaltenen Waldboden aus der Kreidezeit, einschliesslich vieler Pflanzenpollen und -sporen sowie eines dichten Wurzelnetzwerkes. Die Welt war damals ein anderer Ort. In der Mitte der Kreidezeit (vor ca. 115 – 80 Mio. Jahren) lebten Dinosaurier, der Meeresspiegel war damals etwa 170 Meter höher als heute und die Meeresoberflächentemperatur in den Tropen betrug rund 35 Grad Celsius. In der Westantarktis lag die Jahresdurchschnittstemperatur bei etwa 12 Grad Celsius – ein für das Südpolargebiet aussergewöhnlich warmes Klima, welches nach Auffassung der Wissenschaftler nur möglich wurde, weil der antarktische Eisschild fehlte und die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre deutlich höher war, als Klimamodellierungen bislang vermuten liessen. Dieses Klima ermöglichte es einem Regenwald - ähnlich wie heute in Neuseeland - in der Antarktis Fuss zu fassen.

So könnte der Antarktis-Wald vor 90 Millionen Jahren ausgesehen haben.  (Grafik: Alfred-Wegener-Institut, James McKay)
So könnte der Antarktis-Wald vor 90 Millionen Jahren ausgesehen haben. (Grafik: Alfred-Wegener-Institut, James McKay)

Die Überreste des Regenwaldes wurden in einem Sedimentbohrkern entdeckt, der ein Team internationaler Forscher an Bord der Polarstern 2017 aus dem Meeresboden in der Nähe des Pine Island Glacier in der Westantarktis entnommen hatte. Die Schicht, die sich vor etwa 90 Millionen Jahren gebildet hatte, war auffällig: „Bei der ersten Begutachtung an Bord fiel uns sofort die ungewöhnliche Färbung dieser Sedimentschicht auf. Sie unterschied sich deutlich von den Ablagerungen darüber. Erste Analysen liessen zudem vermuten, dass wir in einer Tiefe von 27 bis 30 Metern unter dem Meeresboden auf eine Schicht gestossen waren, die sich einst an Land gebildet haben musste und nicht im Meer“, berichtet Erstautor Dr. Johann Klages, Geologe am AWI. Niemand hatte jemals zuvor eine Probe aus der Kreidezeit von einem so südlichen Punkt der Welt aus dem Boden gezogen.

Das Meeresboden-Bohrgerät MARUM-MeBo70 während Stationsarbeiten direkt vor der Schelfeiskante des Pine Island Gletschers. Es zog die Probe, und ermöglichte so den spannenden Blick zurück in die Kreidezeit. (Bild: Karsten Gohl Klein, Alfred-Wegener-Institut)
Das Meeresboden-Bohrgerät MARUM-MeBo70 während Stationsarbeiten direkt vor der Schelfeiskante des Pine Island Gletschers. Es zog die Probe, und ermöglichte so den spannenden Blick zurück in die Kreidezeit. (Bild: Karsten Gohl Klein, Alfred-Wegener-Institut)

Zurück im Labor steckte das Team den Kern in einen CT-Scanner (Computertomographie). Das digitale Bild zeigte ein dichtes Netzwerk von Wurzeln über die gesamte Bodenschicht. Ausserdem enthielt die Bodenprobe Pollen und Sporen verschiedener Gefässpflanzen, darunter auch Spuren der ersten Blütenpflanzen innerhalb dieser hohen antarktischen Breiten. Die pflanzlichen Überreste zeugen von einer Sumpf- und Moorlandschaft, in der ein gemässigter Regenwald mit vielen Nadelhölzern und Baumfarnen wuchs.

Doch unter welchen Klimabedingungen konnte damals auf einer geografischen Breite von etwa 82 Grad Süd ein Regenwald wachsen? Damals wie heute ist die Region um den Südpol im antarktischen Winter vier Monaten Polarnacht ausgesetzt. Energiespendendes Sonnenlicht fehlte demzufolge ein Drittel des Jahres.

Um dies herauszufinden, haben die Forscher unter anderem untersucht, unter welchen Klimabedingungen die heutigen Verwandten der fossilen Pflanzen gedeihen. Zusätzlich nutzten sie chemische Analysen, um die damaligen Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse zu eruieren. Die Resultate zeigten, dass damals nur etwa 900 km vom Südpol entfernt ein gemässigtes Klima herrschte. Die Lufttemperatur betrug im Jahresdurchschnitt etwa 12 Grad Celsius. Die Sommer im Südpolargebiet waren im Schnitt circa 19 Grad Celsius warm. Geregnet hat es in der Westantarktis in etwa so häufig und stark wie heutzutage in Wales.

Mithilfe eines Klimamodelles haben die Wissenschaftler rekonstruiert, wie ein so warmes Klima in der Antarktis möglich war. Daraus ging hervor, dass diese Bedingungen nur erreicht werden konnten, wenn (1) die gesamte Antarktis von dichter Vegetation bewachsen war, (2) es damals kein Eisschild gab und (3) die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre weitaus höher war als dies bislang für die Kreidezeit angenommen wurde. „Bis zu unserer Studie ging man davon aus, dass die globale Kohlendioxidkonzentration im Zeitalter der Kreide bei etwa 1000 ppm lag. In unseren Modellversuchen aber waren Konzentrationswerte von 1120 bis 1680 ppm notwendig, um die damaligen Temperaturen in der Antarktis zu erreichen“, sagt Mitautor und AWI-Klimamodellierer Prof. Dr. Gerrit Lohmann. Nur so wäre der Treibhauseffekt stark genug gewesen, um das Klima selbst während einer vier Monate langen Polarnacht mild zu halten.

FS Polarstern vor mächtigem Eisberg in der inneren Pine Island Bucht, Westantarktis. (Foto: J.P. Klages, Alfred-Wegener-Institut)
FS Polarstern vor mächtigem Eisberg in der inneren Pine Island Bucht, Westantarktis. (Foto: J.P. Klages, Alfred-Wegener-Institut)

Die nächste Frage lautet nun: Wenn es damals in der Antarktis so warm war, was hat dann im Anschluss dazu geführt, dass sich das Klima stark abkühlte und Eisschilde entstanden? „In unseren Klimasimulationen konnten wir darauf noch keine zufriedenstellende Antwort finden“, sagt Gerrit Lohmann. Die Ursachen für solche Kipppunkte zu finden, ist jetzt Aufgabe und Herausforderung der internationalen Klimaforschung. 

Quelle: AWI